Die Lager von Schwaz 1944–1988. NS-Zwangsarbeiterlager, Entnazifizierungslager, Flüchtlingslager St. Margarethen, Armenlager Märzensiedlung

1944 bauten die Nationalsozialisten zwei Kilometer im Inneren des Bergwerks der Stadt Schwaz eine Fabrik. Ausländische Zwangsarbeiter fertigten in dieser Messerschmitthalle Teile des Düsenjägers Me 262. In eines der Schwazer Zwangsarbeiterlager sperrte die französische Militärregierung ehemalige Nazis ein. Sie nannte das Lager „Oradour“, nach jenem Ort, wo die SS hunderte Menschen ermordet hatte.

1948 bevölkerten Vertriebene und Geflüchtete das Lager, ab Herbst 1954 randständige, wohnungslose und armutsbetroffene Menschen. Aus „Oradour“ wurde St. Margarethen, aus dem Flüchtlingslager die Märzensiedlung: ein Schandfleck vor den Toren der Kulturstadt Schwaz. 1988 entfernte ihn die Gemeinde – 44 Jahre nach dem Erstbezug des Lagers in der NS-Zeit.

Die Lager stehen nicht mehr, die Erinnerungen verblassen, die Erzählungen stocken, was bleibt, sind Gerüchte. Das Buch von Horst Schreiber stärkt das Gedächtnis und ermutigt zu sprechen. Nicht nur über die Nazizeit.

Inhalt, Einleitung, Zeitstrahl

„Liebesverbrechen“, Zwangsarbeit und Massenmord. NS-Täter und Opfer in Tirol, Polen und der Sowjetunion

Horst Schreiber analysiert in vier Geschichten von Opfern und Tätern die terroristische Seite des Nationalsozialismus und ihre Aufarbeitung nach 1945.

Der Tiroler SS-Oberscharführer Josef Schwammberger leitete drei Lager in Polen. Er war sadistischer Exzesstäter, Massenmörder und Akteur des Holocaust. Franz Hausberger, Bürgermeister von Mayrhofen 1968–1986, war Mitglied der 1. SS-Infanterie-Brigade, die in der Ukraine und Belarus tausende Jüdinnen und Juden erschoss.

1940 erhängte die Gestapo in Kirchbichl zwei polnische Arbeiter der TIWAG wegen verbotener Beziehungen. Die einheimischen Frauen deportierte sie in die KZ Ravensbrück und Auschwitz. Acht russische und ukrainische Zwangsarbeiter wurden 1945 im Arbeitserziehungslager Reichenau aufgehängt. Sie hatten nach ihrer Flucht Widerstand organisiert.

Inhalt und Einleitung

Digitale Erinnerungslandschaft (DERLA) Tirol

Die Digitale Erinnerungslandschaft Tirol dokumentiert die Erinnerungsorte und -zeichen an die Opfer und Orte des Terrors des Nationalsozialismus. Für die Vermittlungsarbeit in den Schulen werden eine Reihe von Unterrichtsvorschlägen angeboten, unter anderem auch Videoclips.

DERLA besteht aus vier zentralen Elementen:

  • Eine interaktive Karte der Erinnerung führt zu den einzelnen Erinnerungsorten und -zeichen. Sie macht deren Geschichte sichtbar. Filter- und Suchfunktionen unterstützen umfangreiche Recherchen.
  • Im Archiv der Namen werden all jene Menschen, die auf den Erinnerungszeichen genannt werden, biografisch vorgestellt. DERLA setzt ihnen ein virtuelles Erinnerungszeichen.
  • Im Vermittlungsportal sind zahlreiche Angebote für Schulen zu finden. Das historische Lernen mit DERLA kann sowohl vor Ort als auch im Klassenzimmer erfolgen.
  • Die Wege der Erinnerung führen entlang kuratierter Routen in spezifische Themen der Geschichte des Nationalsozialismus und der Erinnerungskultur ein.

DERLA Tirol dokumentiert mit Stand Februar 2023 219 Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung und Befreiung in 58 Tiroler Gemeinden, sowohl fotografisch als auch in ihrer Entstehungsgeschichte.

Ferner wurden fünf Kriegerdenkmäler als Beispiel für die dominante Erinnerungskultur aufgenommen sowie neun Orte ohne Gedenkzeichen. Diese Leerstellen der Erinnerung fordern zum Engagement auf, weitere Erinnerungszeichen zu setzen; vor allem für jene Gruppen, die erinnerungskulturell immer noch vergessen sind: Jenische, Roma und Sinti, Zwangsarbeitskräfte, Deserteure, Verfolgte aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Menschen, die als „Asoziale“ und Kriminelle gebrandmarkt wurden.

Darüber hinaus wurden die Kurzbiografien von 641 Personen, die auf den Erinnerungszeichen genannt sind, recherchiert.

Die Wege der Erinnerung bestehen aus thematisch zusammengestellten Routen (Widerstand, NS-Euthanasie etc.) und zeigen repräsentative Beispiele der Gedenkkultur in jedem Bezirk Tirols. Die ersten Beispiele sind bereits online, weitere folgen in den nächsten Monaten.

Die Vermittlungsangebote für Schulen sind nach drei Arten zu unterscheiden:

  • Es gibt für jeden Bezirk das Porträt eines Menschen, um die Person hinter einem ausgewählten Gedenkzeichen zu erläutern.
  • Dann gibt es Angebote, die sich der Geschichte einer Erinnerungskategorie widmen. Sie gehen Fragen nach, wie an Widerstand, NS-Euthanasie oder den NS-Massenmord an Jüdinnen und Juden erinnert wird.
  • Zudem gibt es Angebote, die sich an bestimmte Schultypen richten, auch an Volksschulen und Berufsschulen.

Das Team von DERLA Tirol: Horst Schreiber (Projektleiter): ERINNERN:AT, PH Tirol; Irmgard Bibermann: ERINNERN:AT, PH Tirol; Christian Mathies: ERINNERN:AT, PH Tirol; Selina Mittermeier: ERINNERN:AT, Vorsitzende der Hochschulvertretung PH Tirol

Gaismair-Jahrbuch 2023. Im Aufwind

Antisemitismus, Mitläufertum und verbotener Umgang mit ausländischen Zwangsarbeitern im Nationalsozialismus sind einige der Beiträge im neuen Jahrbuch.

Das Gaismair-Jahrbuch 2023 thematisiert Flucht, Solidarität und Rassismus. Es setzt sich mit Arbeiten ohne Papiere und der Diskussion um den Mangel an Fachkräften auseinander. Ein Schwerpunkt behandelt Antisemitismus in der Corona-Krise und im Verhältnis zu Rassismus und Postkolonialismus, ein anderer Mitläufertum und „Rassenschande“ in der NS-Diktatur. Ein Kapitel widmet sich der jenischen Sprache, Musik und Geschichte, es würdigt den jenischen Pionier Romed Mungenast. Die Macht von Gutachtern über ehemalige Heimkinder sowie die Geschichte von Denkmälern, einer in Vergessenheit geratenen Armensiedlung und von Tirolern an der Leninschule in Moskau sind die Beiträge eines weiteren Schwerpunkts. Das Kapitel zur Visuellen Kunst analysiert unterschiedliche Erinnerungspolitiken der documenta Kassel und des Klocker Museums Hall. Den Literaturteil bestreitet Christoph W. Bauer mit einem Porträt von Emmanuel Bove.

FLUCHT – SOLIDARITÄT – RASSISMUS: Über das Konzept der illegalen Migration und staatliche Rechtsbrüche · Nacht über Österreich für afghanische Astronomin · Zwischen Polen und Belarus – an Europas Grenze der Menschlichkeit · Das Flüchtlingslager Bürglkopf in Tirol · Rassistische Polizeigewalt in Österreich

ARBEIT: Arbeiten ohne Papiere … aber nicht ohne Rechte! · Von Fachkräften und deren Mangel

ANTISEMITISMUS – DER HASS GEGEN JUDEN IM WANDEL DER ZEIT: Moderner Antisemitismus und Rassismus · Verschwörung, Corona und die Erklärung allen Übels · Antisemitismus in postkolonial-antikapitalistischen und antizionistischen Kontexten

NATIONALSOZIALISMUS: Hausmeisteralltag im NS-Zentrum der Macht · Die kurze Liebe von Viktoria Müller und Michaïl Dzula · Die Hinrichtung des polnischen Zwangsarbeiters Konstantin Przygoda in Vandans

JENISCHE SPRACHE, MUSIK UND GESCHICHTE: Erinnerungen an Romed Mungenast · Jenisch – eine Sprache auf der Suche nach Anerkennung · Die Musik mit dem „jenischen Zwick“ · Zum Projektstart des Jenischen Archivs

ERINNERN UND BEURTEILEN: Heimopfer in den Mühlen der Justiz · Zur Erinnerung an Wolfgang Tschernutter · Die Bocksiedlung · Die Auseinandersetzung um das Kriegerdenkmal in Kufstein 1922–1926 · Tiroler an der Internationalen Leninschule in Moskau

VISUELLE KUNST: Zurück zur Politik der Erinnerung

LITERATUR: Christoph W. Bauer: Emmanuel Bove in Tulln

Zum Inhalt und zu den Einleitungen der Schwerpunkte

Gaismair-Jahrbuch 2022. Dekokratie

Auch dieses Jahr versammelt das Jahrbuch Beiträge zum Nationalsozialismus. Das Gaismair-Jahrbuch 2022 analysiert Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, speziell am Arbeitsmarkt. Es widmet sich den Fragen von sozialer Klasse, Spaltung und Solidarität, der Lage der 24-Stunden-BetreuerInnen, der Asylpolitik und Abschiebepraxis, der Forderung nach Laizität und einer Bilanz der Regierungsjahre der Grünen in Tirol.

Ein Schwerpunkt thematisiert das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und stellt die Entwicklungen in Österreich und Polen gegenüber. Ein anderer ist den Jenischen gewidmet, bietet regionale und historische Einblicke und präsentiert Gedichte von Mariella Mehr und Simone Schönett. Libysche Jüdinnen und Juden im Lager Reichenau, eine antifaschistische Ausstellung in Innsbruck, die Geschichte der Anton-Graf-Hütte und ein performatives Denkmal sind Beiträge zur NS-Zeit und ihrer Erinnerungskultur. In zwei literarischen Porträts schreibt Christoph W. Bauer gegen das Vergessen an. Nachrufe auf Waltraud Kreidl und Werner Waitz schließen das Buch.

Die Schwerpunkte des Gaismair-Jahrbuches 2022:

  • SOZIALE KLASSE, SPALTUNG, SOLIDARITÄT
  • KRISE AM ARBEITSMARKT / KOMMENTARE ZUR LAGE
  • SCHWANGERSCHAFTSABBRUCH IN ÖSTERREICH UND POLEN
  • VOM JENISCHEN – REGIONALE UND HISTORISCHE EINBLICKE
  • GESCHICHTE UND ERINNERUNG / VISUELLE KUNST / LITERATUR
  • NACHRUFE

Zum Inhaltsverzeichnis und den Einleitungen der Schwerpunkte