Direktorenbestellung am Abendgymnasium Innsbruck auf gut tirolerisch

Aus: Gaismair-Jahrbuch 2003
Horst Schreiber

„Meine These ist: Starke Frauen bringen in der Regel mehr weiter als durchaus gleich gut qualifizierte Männer. [1]

(Bundeskanzler Wolfgang Schüssel)

Mit der Pensionierung von Gerhard Brandhofer wurde im Februar 2001 die LeiterInnenstelle am Innsbrucker Abendgymnasium frei. Nachdem sich zwei Lehrerinnen der Schule beworben hatten, die über ein ausgeprägtes Qualifikationsprofil verfügen, das sie durch ihre vielfältige Tätigkeiten, Fort- und Ausbildungen eindrucksvoll belegen konnten, war kein Gegenkandidat in Sicht. Am letzten Tag der Einreichfrist brachte ein weiterer Kandidat seine Bewerbung an seiner Schule und nicht, wie es die Ausschreibung verlangt, beim Landesschulrat (LSR) ein. Die Behörde sah nicht nur über diesen Formalfehler hinweg, sondern erklärte sich auch damit einverstanden, dass die Bewerbungsunterlagen nach Terminschluss nachgereicht werden konnten. Für die Vorsitzende der Bundes-Gleichbehandlungskommission (B-GBK), von der noch die Rede sein wird, sah dies „nach einer überhasteten Bewerbung aus (…). Man könne den Eindruck haben, es sei in aller Eile noch ein Bewerber gesucht worden, um nicht die Entscheidung zwischen den beiden Bewerberinnen aus der Schule treffen zu müssen.” [2]

Denunziationen und Anschuldigungen

Vor den Sommerferien 2000 kam es zu Ereignissen, deren Bedeutung für die Direktionsbestellung sich erst Monate später herausstellen sollte. Mit detailliertem Insiderwissen ausgestattet, denunzierten „besorgte mündige Staatsbürger” in einem anonymen Schreiben an Bildungsministerin Elisabeth Gehrer und den Rechnungshof Schulleitung und LehrerInnen, von denen eine namentlich mit schweren Anwürfen genannt wurde. Zwar gelang es Direktor Brandhofer und Landesschulinspektor (LSI) Ferdinand Reitmaier die falschen Anschuldigungen und Pauschalverdächtigungen zu widerlegen, was auch LSR-Präsident Sebastian Mitterer bekräftigte, [3] in der Folge erschien das Innsbrucker Abendgymnasium im Bestellungsverfahren jedoch als schlecht geführte Schule, in der einige „Missstände” zu beheben wären. Ohne auf das anonyme Schreiben explizit Bezug nehmen zu müssen, spielten die inhaltlichen Vorwürfe eine wesentliche Rolle, zumindest beeinflussten sie das Verfahren und die EntscheidungsträgerInnen. [4] Das mit ungewöhnlich hohem Zeitaufwand verbundene innovative Engagement der schulinternen Bewerberinnen, die eine Hauptrolle bei der erfolgreichen Schulentwicklung des Abendgymnasiums über viele Jahre hinweg gespielt hatten, konnte nun zu ihrem Nachteil ausgelegt werden. Da sie im LSR als Teil der Schulführung angesehen wurden, konnten sie für die „Mängel” und angeblichen Ungereimtheiten mitverantwortlich gemacht werden, der externe Bewerber erschien dadurch in einem günstigen Licht und als jene Person, die unvoreingenommen wieder für Ordnung sorgen würde. Aufgrund all dieser unerfreulichen Begleiterscheinungen entschloss sich die zweite Bewerberin einen anderen Führungsposten anzustreben. Ihre vielfältigen Kompetenzen und Zusatzausbildungen trugen ihr schließlich nach einem Hearing vor dem Stiftungsrat unter Vorsitz des Präsidenten der Industriellenvereinigung die Ernennung zur Direktorin eines Privatgymnasiums in Istanbul ein, wo sie die Oberstufe der als Modellschule für die Türkei konzipierten Anstalt aufbauen soll.

Zu Beginn der Sommerferien 2000 nutzte der Vorsitzende der AHS-Gewerkschaft, Wolfgang Muth (Fraktion Christlicher Gewerkschafter – FCG), eine Grundsatzdebatte in der Jahresschlusskonferenz, bei der er persönlich nicht anwesend war, dazu, die Schule als gewerkschaftsfeindlich zu brandmarken, weil einige engagierte GewerkschafterInnen es gewagt hatten, kritische Worte zur Gewerkschaftspolitik zu äußern, die Muth als „klar tendenziöse Aussagen” ablehnte. Er warf Direktor Brandhofer Amtsmissbrauch vor, weil dieser in der Konferenz die Absicht seines Gewerkschaftsaustrittes mit Aushang im Konferenzzimmer verlautbart hatte, um abschließend festzuhalten: „Im Hinblick auf den bevorstehenden Direktorenwechsel hoffe ich sehr, dass in Zukunft auch an eurer Schule ein sachlicheres Klima einkehren wird.” [5]

Die Positionierung der von FCG und AAB (Arbeiter- und Angestelltenbund/ÖVP) dominierten Interessensvertretungen an der Schule, im Land und im Bund zuungunsten der Bewerberinnen der Schule zeigte sich in der Folge ganz deutlich, das Thema des behaupteten unsachlichen bzw. schlechten Klimas am Abendgymnasium sollte in größerem Zusammenhang zum Hauptargument gegen die Kandidatinnen werden.

Die Vorwürfe im LSR bzw. im Kollegium des LSR, die gegen die Führung der Schule in Zusammenhang mit einzelnen „beklagenswerten” Zuständen angeführt wurde (z.B. Absenzen von Studierenden), um die Notwendigkeit einer Außenberufung plausibel zu machen, erscheinen auch deshalb geradezu grotesk und unglaubwürdig, weil genau zu diesem Zeitpunkt der LSR in der Person des für das Abendgymnasium zuständigen LSI Ferdinand Reitmaier die überhaus hohen Qualitäten der Schule bzw. des scheidenden Direktors Brandhofer und damit auch indirekt der an der Schulentwicklung wesentlich beteiligten Bewerberinnen gegenüber dem Ministerium in den höchsten Tönen lobte. In seiner Laudatio, die als Grundlage für die Begründung des LSR gegenüber dem Ministerium zur Verleihung des „Großen Ehrenzeichens für die Verdienste um die Republik Österreich” an Gerhard Brandhofer diente, hatte LSI Reitmaier u.a. angeführt:

„Unter seiner Leitung hat die schulbezogene Erwachsenenbildung in Tirol großen Aufschwung genommen, das Abendgymnasium Innsbruck wurde zu einem Vorbild für vergleichbare Institutionen in Österreich und hat sich auch zahlenmäßig enorm weiter entwickelt. So hat die Zahl der Studierenden in der Amtszeit von Brandhofer um 350% zugenommen, die Klassenzahl hat sich verdreifacht. Über 1000 Studierende haben in diesem Zeitraum erfolgreich die Reifeprüfung bestanden. Waren es in den Jahren vor der Amtszeit Brandhofers im Jahresschnitt 17 Maturanten, die aus der Schule hervorgingen, so steigerte sich die Maturantenzahl unter seiner Leitung auf 56 pro Jahr. (…). Im Erwachsenenunterricht hat die Schule neue Wege beschritten und Initiativen gesetzt. Neben dem zeitgemäßen, stets aktuellen Angebot wird vor allem auf anspruchsvolle methodisch-didaktische Planung und Gestaltung des Unterrichts durch alle Lehrenden größter Wert gelegt. Die Schule hat in der Erwachsenenbildung auch eine Vorreiterrolle in Bezug auf neue Unterrichtsformen inne. Projektunterricht, Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, offener Unterricht z.B. werden neben bewährten Methoden gezielt und sinnvoll eingesetzt. Eine besondere Förderung hat unter Brandhofer die gezielte Arbeit der Lehrer/innen erfahren, wobei auf positive Einstellung, auf Zusammenarbeit und Teamarbeit größter Wert gelegt wird. (…).

Modelle der Lehrerfortbildung des Abendgymnasiums Innsbruck dienten schon mehrmals als Impuls und Vorbild für andere Schulen, der hohe Standard und das Expertentum des Lehrkörpers führten zu Einladungen als Leiter bzw. Referenten bei verschiedenen Fortbildungen von Institutionen der Erwachsenenbildung im In- und Ausland.

Vom Abendgymnasium Innsbruck gehen Impulse für Abendschulen in ganz Österreich aus, einzelne Neuerungen des Abendgymnasiums wurden auch ins Regelschulwesen übernommen. Die großen Erfolge der Absolventen und die große öffentliche Anerkennung bestätigen dies. Brandhofer ist es gelungen, mit Innovationen, wie z.B. dem Fernstudium, auch bisher regional, sozial oder geschlechtsspezifisch benachteiligten Bevölkerungsschichten den Zugang zu höherer Bildung zu erschließen. [6]

Das Qualifikationsprofil der KandidatInnen

Die Qualifikationen des männlichen Bewerbers, der aus einer BHS (Handelsakademie) mit angeschlossener Abendform kam und jener Bewerberin, die nach dem Hearing an der Schule schließlich die beste Ausgangsposition hatte, lassen sich folgendermaßen skizzieren:

Ihre Vorstellungen über die künftige LeiterInnentätigkeit hatte die Bewerberin im Vergleich zu einer halben Seite des männlichen Kandidaten auf 17 Seiten detailliert in fünf Abschnitte aufgegliedert und beschrieben. Auch alle anderen erfragten Kompetenznachweise wurden von der Frau um ein Vielfaches umfangreicher und präziser dargelegt.

So war sie Leiterin, Referentin und Planerin von 21 Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen im In- und Ausland mit vielseitigen inhaltlichen Schwerpunkten (teils internationale Symposien wie „2. Bildungsweg in Europa”, Workshops, Seminare, Fachdidaktik, LehrerInnenfortbildung, universitäre Lehrveranstaltungen, Projektpräsentationen u.a. für das Ministerium). Weiters konnte sie die Teilnahme an  51 Fortbildungsveranstaltungen fachlicher und persönlichkeitsbildender Art, überwiegend entsprechend dem Schulprofil zu Erwachsenendidaktik und zweitem Bildungsweg, Fernlehre und Evaluation nachweisen, darunter die Absolvierung des universitären Diplom-Lehrgangs „Bildungsmanagement” in Verbindung mit einem Zertifikat der Österreichischen Vereinigung für Qualitätssicherung. Das Zertifikat weist nach, dass sie über fundierte Kenntnisse und Fertigkeiten in Projektmanagement, Personal- und Organisationsentwicklung, Qualitätsmanagement und Evaluation, Führung und Konfliktmanagement, Medienmanagement und Marketing im Bildungsbereich verfügt. Sie war Mitbegründerin und Pionierin bei der Entwicklung und Umsetzung des Modells „Fernstudium mit Sozialphasen”. Dieses Innsbrucker Modell wurde nach ihrer sehr erfolgreichen ReferentInnentätigkeit Grundlage für das „abitur-online” an über 80 Abendgymnasien und Kollegs in Nordrhein-Westfalen (BRD). Seit Jahren ist sie Koordinatorin für das Fernstudium. Daneben besorgte sie den Aufbau von nationalen und internationalen Kontakten und Schulpartnerschaften und war Schulkoordinatorin eines internationalen Sokrates-Projekts der EU („Adult Education Network”), an dem sich 23 Institutionen aus zehn Ländern beteiligten. Der Arbeitsgemeinschaft der Abendgymnasien Österreichs stand sie acht Jahre lang als stellvertretende Leiterin vor. Sie verfügt über eine ansehnliche Publikationsliste und ist Autorin zahlreicher Aufsätze und Dokumentationen sowie Herausgeberin einer Schriftenreihe und eines Einzelbandes. Darüber hinaus kann sie auf eine umfassende Liste von Projektteilnahmen verweisen, die sich neben klassen- und fächerübergreifendem Projektunterricht auch auf Schulentwicklung im engeren Sinn beziehen (Strukturveränderung, Schulleitbild, Erstellung von Fernstudienmaterial und Konzepten für die Selbstevaluation im Fernstudium, die Studierendenbegleitung, die Studierendeneinführung sowie für die EinsteigerInnen aus Tagesschulen zur Senkung der Ausfallquoten und Festigung des Schulbesuchs usw.).

Der männliche Bewerber verfügt über langjährige Erfahrung als Leiter und „teilweise” Referent der Arbeitsgemeinschaft für Mathematik an Handelsakademien, mit mehrfacher Teilnahme in dieser Funktion an überregionalen Seminaren, darunter an einer internationalen Konferenz und einem Fortbildungstag an der Universität. Er war Betreuungslehrer, langjähriger BFI-Kursleiter und Vertreter seiner Schule bei Workshops und Seminaren, die sich mit der Weiterentwicklung der Tages- und Abendform der Handelsakademie beschäftigten. Die Einführung des Fernunterrichts gelang an seiner Schule allerdings nicht. Zudem fungiert er seit Jahren als Koordinator für die Abendform der Handelsakademie Innsbruck, wo die Anzahl der Klassen in den letzten Jahren von acht auf vier zurückging, und der Externistenprüfungen. Seine Unterrichtstätigkeit konzentrierte sich in überwiegendem Maß auf die Tagesform. Er verfügt über reiche administrative Erfahrungen speziell mit dem Verwaltungsprogramm APAS und besuchte vereinzelt persönlichkeitsbildende Seminare. Zudem war er Mitautor einer früheren Auflage eines für die BHS approbierten Mathematikschulbuches und nahm an einer naturwissenschaftlich orientierten Evaluationsstudie (TIMSS) teil. [7]

Die Erstellung des Dreiervorschlages

Nach dem Hearing an der Schule kam es zur Abstimmung im Lehrkörper mit der Erstreihung einer der Bewerberinnen vor dem männlichen Bewerber. Das Votum der Studierenden und des Schulgemeinschaftsausschusses (Vertretung der LehrerInnen und der Studierenden) ergab dasselbe Resultat. Daraufhin wurde diese einstimmige Reihung aller SchulpartnerInnen durch den Dienststellenausschuss an das entsprechend den Landtagswahlen parteipolitisch zusammengesetzte Kollegium des Landesschulrats weiter geleitet. Nach dem Hearing vor dem Kollegium reihte dieses mit den Stimmen der ÖVP und FPÖ mit einer Zweidrittel-Mehrheit um und setzte den externen Kandidaten an die erste Stelle des Dreiervorschlags für das Ministerium, das in der Regel den Vorschlägen der Kollegialorgane der Bundesländer folgt, zumal wenn sowohl der Landesschulrat als auch das Ministerium von derselben Partei dominiert werden, in diesem Fall von der ÖVP. [8]

Die Mitglieder des Fachausschusses (Personalvertretung auf Landesebene) waren als BeobachterInnen beim Hearing vor dem Kollegium anwesend gewesen, um dann eine eigene Stellungnahme zu formulieren, die dem Kollegium als weitere Orientierungshilfe diente. Auch dieses Gremium ist mit großer Mehrheit durch die ÖVP-nahe „Österreichische Professorenunion” (ÖPU: FCG, AAB, VCL – „Verein Christlicher Lehrer”) bestimmt. Zwei Fachausschuss-Mitglieder standen zu diesem Zeitpunkt selbst vor dem Sprung zur Direktorenschaft, wobei die Bestellung des Innsbrucker Abendgymnasiums und jene für das BRG Reutte gleichzeitig im Kollegium und im Fachausschuss behandelt wurden. Aus diesem Grund war der Fachausschuss-Kandidat der ÖPU, der sich für den  Direktorsposten in Reutte beworben hatte (und ihn schließlich auch bekam), bei der Abstimmung im Fachausschuss entschuldigt. Der Vorsitzende des Fachausschusses, Josef Röck, gleichzeitig Vorstandsmitglied des „Vereins Christlicher Lehrer”, war bereits zum provisorischen Leiter des BRG/BORG Landeck bestellt worden, dennoch führte er noch den Vorsitz für die Abstimmung im Fachausschuss, um gleich anschließend seinen Rücktritt bekannt zu geben und provisorisch den Vorsitz an seinen Stellvertreter im Fachausschuss, Wolfgang Muth (FCG), der zudem kooptiertes Mitglied im Vorstand des „Vereins Christlicher Lehrer” ist, zu übergeben.  Dieser ist gleichzeitig Vorsitzender der Landessektionsleitung der Tiroler Gewerkschaft AHS. Ursula Gerstenbauer, Mitglied der Landessektionsleitung der Gewerkschaft, wurde schließlich Vorsitzende des Fachausschusses. Damit sind beide Interessensvertretungen nicht nur strukturell (Ausbalancierung der Positionen der verschiedenen ÖVP-nahen Gruppierungen), sondern ebenso personell eng miteinander verflochten.

Auch der Fachausschuss hielt sich nicht an das Votum der Schule und des Schulgemeinschaftsausschusses, sondern reihte den männlichen Kandidaten an die erste Stelle. Das Abstimmungsergebnis von 4:1 entsprach der Aufteilung der MandatarInnen des Fachausschusses nach den beiden Fraktionen ÖPU und „Tiroler LehrerInneninitiative”. Interessanterweise nahm Muth in seiner Eigenschaft als Gewerkschaftschef eine prinzipiell andere Haltung in der Öffentlichkeit ein als in seiner Funktion als Personalvertreter im Fachausschuss. Mit Blick auf die Bedeutung der Abstimmung von Lehrkörpern und im Schulgemeinschaftsausschuss stellte er in seinem Artikel in den österreichweit erscheinenden ÖPU-Nachrichten mit dem Titel „Zu den Schulleiter-Bestellungen in Tirol” die Frage, „ob nicht im Sinne der Stärkung der Autonomie der Schulen diesem Votum ein stärkeres Gewicht gegeben werden sollte.” [9]

Der Zentralausschuss (Personalvertretung auf Bundesebene), der ebenso wie der Tiroler Fachausschuss von der ÖVP-nahen ÖPU dominiert wird, gab schließlich ebenfalls mehrheitlich sein Votum für die Umreihung zugunsten des männlichen Bewerbers ab.

Die Argumentation des Landesschulrates

Die Proteste gegen diese Vorgangsweise seitens der Personalvertretung (PV) der Schule und von StudierendenvertreterInnen veranlassten LSR-Präsident Sebastian Mitterer, die Beweggründe des Kollegiums zu erläutern. Als Säulen der Entscheidungen des Kollegiums bezeichnete er die Stellungnahme der Schule, vor allem des Schulgemeinschaftsausschusses, des Fachausschusses und eigene Eindrücke beim Bewerbungsgespräch im Kollegium. Die den KandidatInnen in der Ausschreibung abverlangten Kompetenzen für den Leitungsposten erwähnte er überhaupt nicht. Der erstgenannten Säule, den Abstimmungsergebnissen zugunsten der erstgereihten Bewerberin, war ein geringes Gewicht beigemessen worden, weil das Votum der LehrerInnen „ein sehr knappes Ergebnis” hervorgebracht hätte und „die Beteiligung der Studierenden an der Abstimmung nach meinen Informationen sehr gering gewesen sein soll. Diese Tatsachen haben das Gewicht anderer Argumente erhöht.” [10]

Wenn man dieser Begründung folgen würde, müsste der Landesschulrat neue Regelungen beim Bestellungsverfahren veröffentlichen, die erläutern, ab wann eine erzielte Mehrheit bei einer Wahl vom Kollegium auch als Mehrheit anerkannt wird. Andererseits hätte man von einer anderen Sichtweise aus genauso anführen können, dass die beiden Bewerberinnen der Schule, die seit Jahren in unzähligen Projekten miteinander kooperieren, eine ungeheuer große Akzeptanz erfahren hatten, indem sie fast zwei Drittel (sic!) der vergebenen Punkte auf sich vereinigen hatten können. Nebenbei sprach genau dieses Ergebnis auch gegen die behauptete große Spaltung im Lehrkörper. Dass der LSR für Tirol als Beweis für das geringere Polarisierungspotential des Außenkandidaten dessen „niedrigste Zahl an Streichungen” bei der Wahl anführte, [11] ist insofern verwunderlich, da Streichungen im Wahlmodus, der aus einem Reihungssystem bestand, gar nicht vorgesehen waren, vor allem aber, da die Wahl ja geheim war und er sich nur auf unbekannte, mehr oder weniger gut informierte ZuträgerInnen berufen konnte. Wer den LSR-Präsidenten über die Wahlbeteiligung der Studierenden „aufgeklärt” hatte, bleibt unbekannt, jedenfalls erfolgte die Auskunft nicht auf offiziellem Weg über die Schule. Faktum bleibt, dass eine der Bewerberinnen in geheimer Abstimmung im Lehrkörper, unter den Studierenden und speziell auch einstimmig im Schulgemeinschaftsausschuss die Mehrheit erreicht hatte und das Kollegium diese Tatsache nicht gebührend anerkannt bzw. weitgehend ignoriert hat.

Die Hauptbegründung des Kollegiums bei der Umreihung zugunsten des männlichen Kandidaten war nach Auskunft Mitterers eine behauptete „starke Gruppenbildung im Lehrkörper (…). Offensichtlich war eine deutliche Mehrheit des Kollegiums der Auffassung, dass die als notwendig empfundene Harmonisierung und Konfliktbewältigung leichter durch einen von außen kommenden ‚neutralen’ Schulleiter herbeigeführt werden kann als durch eine selbst in der Gruppenbildung involvierte Kollegin.” [12]

Mit 8. Juli 1998 war durch das Kollegium des LSR für Tirol im Verordnungsblatt des LSR vom 20. September 1998 die Erarbeitung und Beschlussfassung von Dreiervorschlägen für die Besetzung von Leitungsfunktionen festgelegt worden, um die Bestellungsverfahren zu objektivieren. Die darin angeführten Kompetenzkriterien, welche die KandidatInnen in ihren Bewerbungsunterlagen ausführlich darzulegen hatten, spielten im vorliegenden Verfahren keine wesentliche Rolle und wurden in der offiziellen Argumentation des LSR-Präsidenten auch kaum berührt, eben weil aufgrund einer „spezifischen Situation” andere Kriterien als jene, welche der LSR zur Objektivierung bei der Bestellung von Leitungsfunktionen festgelegt hatte, relevant wurden. Mit dem Vorwurf der Disharmonie an der Schule, deren Beseitigung nur dem externen Bewerber zuzutrauen wäre, obwohl dieser im Gegensatz zur Bewerberin über keine Ausbildung im Konfliktmanagement verfügt, wurde es möglich, die objektivierbaren Kompetenzkriterien in den Bewerbungsunterlagen für einen direkten Leistungsvergleich geflissentlich zu übergehen und ein Kriterium vorrangig zu bewerten, das in der Ausschreibung gar nicht enthalten war. So konnte im Zuge des Verfahrens eine Realität konstruiert werden, die eine Berufung des externen Bewerbers zwingend erscheinen lassen konnte, zumal aufgrund der behaupteten Notlage des angeblich völlig gespaltenen Lehrkörpers die Schulfremdheit des Kandidaten plötzlich ein höheres Qualifikationsmerkmal darstellte als jene Kompetenzen, welche die AnwärterInnen ausschreibungskonform nachweisen hatten müssen. Dem gemäß argumentierte auch LSR-Präsident Mitterer gegenüber der Personalvertretung des Abendgymnasiums, indem er unterstrich: „Vor diesem Hintergrund wird auch, so hoffe ich, verständlich, dass der Begriff der ‚Qualifikation’ einer Bewerberin/eines Bewerbers nicht nur auf ihre/seine ganz persönlichen Voraussetzungen bezogen werden kann, sondern bestimmte Qualifikationen in einer spezifischen Situation und Konstellation den Ausschlag geben können.” [13]

Prinzipiell gilt es folgendes festzuhalten: Gruppenbildungen lassen sich in jedem Lehrkörper feststellen und gelten eigentlich in einer wertepluralen Schule mit Methodenvielfalt als Selbstverständlichkeit. Negativ wären diese erst dann, wenn die Qualität und Weiterentwicklung der Schule darunter leiden würde. Dass dies nicht der Fall war, zeigen alle qualitativen und quantitativen Standards des Innsbrucker Abendgymnasiums in den letzten zwei Jahrzehnten, das in der Schulentwicklung der österreichischen Abendschulen generell und mit dem Schulversuch Fernstudium speziell eine Vorreiterrolle einzunehmen verstand und nationale wie internationale Anerkennung erfuhr. Darauf wies gerade der LSR in seiner Begründung für die Verleihung des „Großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich” an Direktor Brandhofer explizit hin! Im Juni 2001 attestierte die Bundesministerin der Schule „ein beeindruckendes Leistungsdenken” sowie „die Bereitschaft von Lehrenden und Studierenden zur Kooperation” und dankte anlässlich der Durchführung einer „hervorragenden und beeindruckenden” Projektarbeit für das „konkrete Ergebnis dieser vorbildlichen Zusammenarbeit”. [14]

Wenn es eine derart negative Gruppenbildung tatsächlich gegeben hätte, wäre es ja die Pflicht der Schulaufsicht gewesen, auf den Plan zu treten. Da jedoch nie eine Besprechung oder Erörterung eines derartigen Problems seitens des zuständigen Inspektors oder der Behörde mit der Schule erfolgt ist, kann auch nicht von einer derartigen Relevanz der Gruppenbildung ausgegangen werden, welche die Kollegiumsmitglieder ja nur vom Hörensagen (wieder die ominösen unbekannten InformantInnen) kannten, da ja sonst der Schulaufsicht zumindest Nachlässigkeit und Inaktivität vorzuwerfen wäre. Abgesehen davon hatte im Jahr 2000 eine Arbeitsgruppe im Rahmen der laufenden Schulentwicklung unter Leitung eines Lehrers der Schule, der auch Mitarbeiter des LSR für Tirol war, das Schulklima erhoben, wobei 92% der befragten LehrerInnen und 91% der befragten Studierenden auf die Frage, ob sie sich an der Schule wohl fühlten bzw. ob die Schule ihre Erwartungen generell erfüllt, mit (eher) ja geantwortet hatten. Der Chef der Personalvertretung, der alles andere als in einem Naheverhältnis zu Direktor Brandhofer und den Bewerberinnen stand, hatte dazu festgestellt: „Als Lehrer, der die gesamte Ära Brandhofer miterlebt hat, und als Obmann der Personalvertretung ist es mir eine Freude, dieses schöne Ergebnis allen Freunden Gerhards und der Schule in dieser Festschrift bekannt zu geben und Gerhard zu diesem nachhaltigen Erfolg seiner Bemühungen um ein gutes Schulklima herzlich zu beglückwünschen und danke zu sagen!” [15] Erst im Gefolge der Auseinandersetzungen um die Direktionsbestellung begann sich das Klima im LehrerInnenkollegium immer mehr zu verschlechtern, wobei gerade die Rolle der im Verfahren beteiligten Spitzenvertreter des Tiroler Landesschulrates daran maßgeblichen Anteil hatten.

Die Rolle der Gewerkschaft an der Schule

Mit seiner Haltung im Bestellungsverfahren unterstützte der von FCG und AAB/ÖVP dominierte Gewerkschaftliche Betriebsausschuss (GBA) der Schule, dessen Vorsitzender zugleich Abteilungsleiter im Landesschulrat war und zum provisorischen Leiter avancierte, den externen Bewerber. Die Personalvertretung hatte geschlossen gegen das Umstoßen des Schul- und Schulgemeinschaftsausschuss-Votums durch Umreihung des Dreiervorschlags im Landesschulratskollegium zulasten der „offensichtlich gleichwertigen bzw. besseren Qualifikationen” der erstplatzierten Bewerberin und gegen den inhaltlichen Rückgriff bei der Entscheidungsfindung auf den anonymen Brief, den Mitterer in Abrede stellte, protestiert. [16] In einem Geheimschreiben distanzierte sich der ÖVP-nahe Gewerkschaftliche Betriebsausschuss von diesem Schreiben der Personalvertretung, „da es keineswegs die einhellige Meinung des Lehrkörpers darstellt.” [17] Ein Protokoll über die Sitzung, in welcher der Betriebsrat diesen Brief verfasste, wurde nicht abgefasst. Zudem machte er das Schreiben seinen Mitgliedern, darunter den beiden Bewerberinnen, die aufgrund ihrer Unkenntnis dieses Briefes im laufenden Verfahren keine Stellung beziehen konnten, nicht zugänglich. Obwohl gemäß der Geschäftsordnung und dem Rechtsschutzregulativ der „Gewerkschaft Öffentlicher Dienst” (GÖD) der Betriebsrat nicht in einer Art und Weise tätig werden darf, die sich auf ihre Mitglieder negativ auswirkt, sandte der Gewerkschaftliche Betriebsausschuss, der ausschließlich für die Vertretung der Interessen seiner Mitglieder an der Schule und somit für die beiden Kandidatinnen und nicht für den externen Kandidaten zuständig war, dieses Geheimschreiben an die vorgesetzten Dienstbehörden. Durch diesen geheimen Brief des Gewerkschaftlichen Betriebsausschusses, der jenen offiziellen der Personalvertretung konterkarierte, wurde ein Gegensatz nach außen getragen, der die Konstruktion der behaupteten kontraproduktiven Gruppenbildung unterstützen half. Das GBA-Schreiben spielte bei der Argumentation in der DirektorInnenbestellung eine Rolle, da es LSR-Präsident Mitterer der Gleichbehandlungskommission als Hinweis für die Gespaltenheit des Lehrkörpers vorlegte. [18] Als das Geheimschreiben ein knappes Jahr nach seiner Abfassung offiziell in Erfahrung gebracht werden konnte, begründete der ehemalige Betriebsrat seine Vorgangsweise mit „zahlreichen Protesten aus der Kollegenschaft auf den Brief der PV”, deren Namen geschützt werden müssten, sowie mit der Sorge, dass man die Differenzen im Lehrkörper durch Aushang des Schreibens nicht weiter verschärfen hätte wollen. [19]

Das Verfahren vor der Bundes-Gleichbehandlungskommission

Wegen der Zweitreihung im Kollegium legte die betroffene Bewerberin Beschwerde unter Angabe der Diskriminierung bei der Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ein. In diesem Zusammenhang zeigte sich auch, wie wichtig die Einrichtung von Frauengleichbehandlungsbeauftragten an den Schulen gewesen war. Der Dreiervorschlag wurde deshalb vom Ministerium nochmals an den LSR zur Ausarbeitung einer Stellungnahme für die Bundes-Gleichbehandlungskommission übermittelt, im Juni 2001 erfolgte schließlich eine Vorladung der Beschwerdeführerin und des LSR-Präsidenten vor die Kommission, die eine Abteilung des Ministeriums für Soziale Sicherheit und Generationen ist. Dieses Gremium hatte die „sachliche Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Kollegiums des LSR für Tirol über die Reihung im Besetzungsvorschlag” zu prüfen. LSR-Präsident Mitterer argumentierte, dass das Hearing ein „entscheidender Teil des Bewerbungsverfahrens” gewesen war und der männliche Kandidat dabei einen „hervorragenden Eindruck” gemacht habe. Im Gegensatz zum Mann, der „sehr deutlich” auf die Behebung der Problematik der Gruppenbildung im Abendgymnasium einzugehen hätte können, wäre die Bewerberin dazu nicht in der Lage gewesen, zudem vermochte sie laut Mitterer auch nicht ausreichend auf die Frage der Erhöhung der Anwesenheit der SchülerInnen beim Unterricht einzugehen. Zum einen ist hierbei festzuhalten, dass das Abendgymnasium Innsbruck unter Bestätigung des LSR die gesetzlichen Vorschriften bezüglich der Anwesenheitspflichten der Studierenden eingehalten hat, die AbsolventInnenzahlen in den letzten 20 Jahren stetig und beträchtlich angestiegen waren und die Schule nachweislich geringere Abwesenheitszahlen vorlegen kann als die meisten anderen österreichischen Abendgymnasien. Zum anderen war der Präsident auf mehrmaliges Nachfragen hin nicht in der Lage, die Lösungsvorschläge des Kandidaten zu präzisieren. Mitterer antwortete „wiederholt, der erstgereihte Bewerber habe einen ausgezeichneten Eindruck gemacht, und man traue ihm eben eher zu als Prof. (…), den Lehrkörper ‚zusammenzuschweißen’.” Zudem habe der Kandidat eine längere Dienstzeit, Praxis an der Abend- und Tagesschule und sei einer der besten Informatiker Tirols. Während der LSR-Präsident darauf vergaß hinzuweisen, dass die Frau über die ungleich längere und größere Erfahrung für den Schultyp, in dem die Direktion besetzt werden sollte, mitbrachte und der Mann nur in sehr bescheidenem Ausmaß Erwachsene unterrichtet hatte, über unvergleichlich weniger theoretische und praktische Erfahrungen in der Fernlehre, einem Hauptschwerpunkt der Bewerbungsschule, verfügte und dessen angeblich außerordentliche Informatikkenntnisse den Bewerbungsunterlagen nicht zu entnehmen waren, stellte die Bewerberin in Abrede, zur Gruppenbildung überhaupt befragt worden zu sein. Über diesen strittigen Punkt konnte der LSR-Präsident ebenso wenig einen Nachweis führen wie über die Lösungsvorschläge des Kandidaten, denn, so Mitterer „es gebe leider kein Protokoll des Hearings, doch verstehe er diese Sitzung als Anregung, in Zukunft zumindest ein Ergebnisprotokoll zu erstellen.” [20] Die B-GBK kam schließlich zu folgendem Urteil:

„Aus dem gesamten Vorbringen des Amtsführenden Präsidenten des LSR geht hervor, dass dem Auftreten der Bewerberin und des Bewerbers beim Hearing ein hoher Stellenwert beigemessen wurde. In der Sitzung der B-GBK hebt HR Dipl.Vw. Mag. Mitterer wiederholt den positiven Eindruck, den Prof. (…) hinterlassen hat, hervor, weswegen man ihm ‚am ehesten’ die Auflösung der Gruppenbildung im Lehrerkollegium und die Senkung der Abwesenheiten der Schülerinnen und Schüler vom Unterricht ‚zutraut’. Diese Begründung ist für die B-GBK sachlich nicht nachvollziehbar, da nicht dargelegt wird, mit welchen konkreten Lösungsvorschlägen und Maßnahmen der Bewerber das Kollegium des LSR von seiner besseren Eignung überzeugen konnte.

Einen weiteren Mangel an Sachlichkeit bei der Beurteilung der Qualifikationen ist aus dem in der Kollegiumssitzung eingebrachten Antrag, Prof. (…) an die erste Stelle des Besetzungsvorschlages zu reihen, ersichtlich. Dieser Antrag enthält neben einer sehr knappen und wenig spezifizierten Begründung für die Erstreihung von Prof. (…) die Feststellung ‚(…) ist Vater dreier Kinder’. Der ausdrückliche Hinweis auf die dreifache Vaterschaft [die Mutterschaft der Bewerberin war nicht genannt worden; H.S.] im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens ist mit dem Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar.

Die B-GBK gelangt also nach eingehender Beratung zu dem Ergebnis, dass nicht ausschließlich sachliche Erwägungen für die Entscheidung des LSR zugunsten von (…) maßgebend waren. Die Reihung von Prof. (…) an die zweite Stelle des Besetzungsvorschlages stellt daher eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes gem. § 3 Z 5 B-GBG dar.

Die B-GBK empfiehlt für zukünftige Besetzungsverfahren, die wesentlichen Qualifikationskriterien zu definieren und ihre Erfüllung durch die präferierte Bewerberin / den präferierten Bewerber nachvollziehbar zu begründen.” [21]

Mann schlägt Frau

Welchen realen Stellenwert die B-GBK bei DirektorInnenbestellungen hat, ist daran abzulesen, dass Bundesministerin Elisabeth Gehrer den vom Kollegium des Tiroler LSR vorgereihten männlichen Bewerber mit 1. März 2002 zum Direktor ernannte.

Bereits vorher hatten Präsident Mitterer und Gewerkschaftschef bzw. Fachausschuss-Vorsitzendenstellvertreter Muth ihre Haltung zu DirektorInnenbestellungen in der Öffentlichkeit abgegeben. Mitterer stellte in einem Interview gegenüber der Tiroler FCG fest: „Würden Sie nicht in der Zeitung lesen, wohin ich gehöre – aus unseren Entscheidungen könnte man es nicht ablesen. In Tirol läuft vieles objektiver, als in der Öffentlichkeit kolportiert.” [22]

Muth meinte: „Wann immer der Eindruck entsteht, eine Entscheidung sei nach anderen als sachlichen (Hervorhebung im Original; H.S.) Kriterien gefallen (…), schadet dies dem Schulwesen. Die Schule ist auf das politische System, in das sie eingebettet ist, angewiesen. Leidet das Vertrauen in dieses System, so leidet die Schule mit.” [23]

Bei der Bestellung des Leitungsposten am Innsbrucker Abendgymnasium ging der LSR für Tirol entsprechend dem Gutachten der B-GBK diskriminierend gegen die Bewerberin vor, obwohl der Frauenanteil bei DirektorInnenposten in den 24 Tiroler AHS zum Zeitpunkt der Erstellung des Dreiervorschlags im Kollegium nur bei 25% lag und drei von sechs Direktorinnen katholischen Privatschulen für Mädchen zuzuordnen sind, sodass im staatlichen Bereich von 21 AHS lediglich drei Frauen Leiterinnenfunktion innehatten (Frauenanteil 14%).

Die Situation muss allerdings so eingeschätzt werden, dass es dem LSR weniger um die prinzipielle Benachteiligung einer Frau ging als darum, die Schule an die Kandare zu nehmen und direktere Durchgriffsmöglichkeiten zu haben. Die ausgebootete Bewerberin gehört keiner Partei oder einer parteinahen Vorfeldorganisation an, sie ist in der Tiroler Schulbehörde und im Ministerium bestens bekannt und wird wegen ihres Engagements und ihren breit gefächerten Kompetenzen durchaus geschätzt. Ihre Leistungen in den Bereichen Neue Lernkultur, Materialerstellung und Einsatz der Informationstechnologien im Fernstudium wurden mehrfach von leitenden BeamtInnen des Ministeriums gewürdigt. Auch Präsident Mitterer hielt in einem Brief an die Schulsprecherin des Abendgymnasiums dezitiert fest: „Ich darf Ihnen auch versichern, dass die Verdienste von Frau Prof. (…) um die Weiterentwicklung der Schule unbestritten sind und von niemandem in Zweifel gezogen werden.” [24] Das Abendgymnasium war die letzte AHS in Tirol mit einem „roten” Direktor”. Unter der Führung Brandhofers hatte die Schule sehr viel Eigenständigkeit und Eigeninitiative gezeigt, sodass es dem LSR in erster Linie darum ging, seine Einflussmöglichkeiten und jene einer kleinen LehrerInnengruppe an der Schule, die ihn während der Ära Brandhofer, [25] aber auch während des Bestellungsverfahrens, laufend informell mit Interna versorgt hatte, zu erhöhen.

Da im Zuge des strukturellen Umbaus des Bildungssystems künftig mit einer deutlichen Zunahme der finanziellen, personalen und pädagogischen Autonomie der DirektorInnen gerechnet werden muss, war es für den LSR wichtig, einen ihm genehmen Direktor zu installieren, der nicht über zuviel Eigengewicht verfügt, dessen Stärken mehr in der Administration als in der pädagogischen Vision liegen, und der im Bedarfsfall den Wünschen und Forderungen der Schulbehörde aufgeschlossener wenn nicht willfähriger gegenüber steht. Diesem Anforderungsprofil konnte die Bewerberin der Schule in den Augen des LSR und seines Kollegialorgans nicht entsprechen.

[1] Der Standard, 26.5.2001.

[2] Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission, 7.8.2001.

[3] Sebastian Mitterer an Prof. S., 21.12.2000.

[4] Anonymes Schreiben, o.D.; Gerhard Brandhofer an LSR Tirol, o.D.

[5] GÖD – AHS, Wolfgang Muth an den Dienststellenausschuss und Gewerkschaftlichen Betriebsausschuss am BG/BRG für Berufstätige, 11.7.2000.

[6] Ferdinand Reitmaier, 27.1.2001.

[7] Bewerbungsunterlagen, in: Dienstbuch des Abendgymnasiums Innsbruck.

[8] Das Abstimmungsergebnis entspricht dem Stimmenverhältnis der politischen Parteien im Kollegium, zudem hat die SPÖ am 11. Mai 2001 eine Parlamentarische Anfrage über die Vorgänge während des Verfahrens gestellt.

[9] Wolfgang Muth, Zu den Schulleiter-Bestellungen in Tirol, in: ÖPU-Nachrichten, Oktober 2000, S. 13.

[10] Sebastian Mitterer an die Studierendenvertreter/innen des BG/BRGWikuRG für Berufstätige, z.Hd. Nalan Gündüz, 11.12.2000.

[11] Stellungnahme des LSR für Tirol an die B-GBK, 9.10.2000, zit. n. Gutachten der B-GBK, 7.8.2001.

[12] Mitterer an Personalvertretung des BG/BRG/WikuRG für Berufstätige, 31.10.2000.

[13] Ebd.

[14] Schreiben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Reinhold Hohengartner, Büro der Frau Bundesministerin, 26.6.2001.

[15] Überschuss. Schulzeitung des Abendgymnasiums Innsbruck 2001, S. 43.

[16] Rundschreiben der Personalvertretung des BG, BRG und WikuRG für Berufstätige, 18.10.2000.

[17] Gewerkschaftlicher Betriebsausschuss am BG, BRG und WikuRG für Berufstätige an Bundesministerin Gehrer, 8.11.2000.

[18] Interview mit Karin Eliskases, 13.9.2001.

[19] Information an alle Kolleginnen und Kollegen. Obmann des GBA, 8.11.2001.

[20] Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission, 7.8.2001.

[21] Ebd.

[22] LSR-Präsident Mitterer setzt auf gute Zusammenarbeit, in: fcg-ahs-aktuell. Die Zeitung der FCG in der Sektion 11 Tirol, Ausgabe 1, Mai 2000, S. 2.

[23] Wolfgang Muth, Zu den Schulleiter-Bestellungen in Tirol, in: ÖPU-Nachrichten, Oktober 2000, S. 13.

[24] Mitterer an die Studierendenvertreter/innen, z.Hd. Nalan Gündüz, 11.12.2000.

[25] Interview mit Gerhard Brandhofer, 20.9.2001.