IM EINKLANG MIT DER NSDAP – Das Unternehmen Swarovski in der NS-Zeit

Aus: Horst Schreiber, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Nazizeit in Tirol, Innsbruck 1994 (Geschichte & Ökonomie 3). Dort auch mit Fußnoten

Alfred Swarovskis „dankbare Treuegrüße“ für Adolf Hitler: Karriere in den NS-Wirtschaftsorganisationen

Im Tiroler Landesverband des Bundes österreichischer Industrieller wurde der „Anschluss“ freudig begrüßt. Da er sich wegen der Umorganisation des ständischen Aufbaus im Austrofaschismus in Liquidation befand, spendete er sein Vereinsvermögen von 100.000 Schilling dem Reichskanzler Adolf Hitler zum 49. Geburtstag zur Errichtung eines Erholungsheimes in Tirol. Bei einer Festversammlung der Tiroler Industriellen entbot ihr neuer Präsident Alfred Swarovski, er war vor dem Umbruch Kammerrat gewesen, „dem Führer, der mit starker Hand das deutsche Volk wieder hochgebracht und zusammengeschlossen hat, dankbare Treuegrüße.“ Er gab sich zuversichtlich, die schwierige Aufgabe der Zusammenführung der Handelskammer und Industriellenvereinigung gemeinsam zu meistern. Diese Umstellung war nach Swarovskis Ansicht notwendig, „damit die Tiroler Industrie möglichst reibungslos in das gewaltige Räderwerk der Wirtschaft Großdeutschlands und in die nationalsozialistische Wirtschaftsordnung eingegliedert werde.“

Am 31.4.1938 erfolgte die Gründung der Handels- und Gauwirtschaftskammer Tirol, im Juni 1939 konstituierte sie sich schließlich in erweiterter Form als „Wirtschaftskammer Alpenland“, die die Gaue Tirol-Vorarlberg und Salzburg mit Sitz in Innsbruck umfasste. In ihr waren die Industrie- und Handelskammern von Innsbruck, Feldkirch und Salzburg ebenso wie die Handwerkskammern Innsbruck (auch für Vorarlberg zuständig) und Salzburg eingegliedert. Kommissarischer Leiter der „Wirtschaftskammer Alpenland“ wurde der bisherige Leiter der Tiroler Handels- und Gauwirtschaftskammer Karl Innerebner. Zu einem der drei Vizepräsidenten der Industrie- und Handelskammer Innsbruck wurde nach sorgsamer politischer Überprüfung und persönlicher Genehmigung durch Gauleiter Franz Hofer der Alfred Swarovski, der auch die Abteilung Industrie leitete. Ab 1942 erfolgte eine völlige Umorganisation der gewerblichen Wirtschaft mit der Aufgabe des übergeordneten Kammerprinzips, jeder Gau erhielt nun eine eigene Gauwirtschaftskammer. Am 16.12.1942 wurde durch Reichswirtschaftsminister Funk die Gauwirtschaftskammer Tirol-Vorarlberg errichtet, innerhalb eines Jahres waren die „Wirtschaftskammer Alpenland“ mit ihren Handels- und Handwerkskammern aufgelöst bzw. übergeleitet worden. Nun übernahm Alfred Swarovski 1943 die Gauwirtschaftskammer, der er bis Kriegsende als Präsident vorstand. Die Karrieren führender Funktionäre wie Swarovski oder Innerebner stellen die personellen Kontinuitäten in den Organisationen der gewerblichen Wirtschaft Tirols vor und nach dem „Anschluss“ deutlich heraus. Nicht zuletzt auch durch gutes Einvernehmen mit der NSDAP und aufgrund der mangelnden Wirtschaftskompetenz der Partei gelang es den regionalen NS-Wirtschaftsorganisationen, die Interessen der Wirtschaft zu artikulieren und teilweise auch durchzusetzen. Die Entwicklung des Unternehmens Swarovski zeigt, wie profitabel die NS-Zeit für Betriebe sein konnte, die mit dem Nationalsozialismus aufs Engste verbunden waren.

Hochverrat an Österreich: Familie Swarovski als „illegale“ NSDAP-Mitglieder

Das Verhältnis zwischen der NSDAP und dem Unternehmen Swarovski kann als ein sehr enges bezeichnet werden. Die Familie Swarovski hatte sich samt und sonders illegal betätigt und um die Tiroler NSDAP verdient gemacht, weshalb sie nach dem „Anschluss“ Parteimitgliedsnummern aus dem Block der „Illegalen“ zugestanden bekamen:

Alfred Swarovski, NSDAP-Mitgliedsnummer 6.181.197

Anna Swarovski, NSDAP-Mitgliedsnummer 6.181.198

Betti Swarovski, NSDAP-Mitgliedsnummer 6.181.199

Daniel Swarovski, NSDAP-Mitgliedsnummer 6.181.200

Fritz Swarovski, NSDAP-Mitgliedsnummer 6.181.201

Manfred Swarovski, NSDAP-Mitgliedsnummer 6.181.202

Willi Swarovski, NSDAP-Mitgliedsnummer, 1.621.960

Dem Reichskommissar Bürckel berichtete Gauleiter Hofer, dass „die Firma Swarovski, Wattens in Tirol, schon während der Jahre des Kampfes einwandfrei nationalsozialistisch geführt war und deren Betriebsführer und seine Familie schon in der Zeit vor dem Parteiverbot der NSDAP angehörten.“

Die Arbeiterschaft stand daher schon vor 1938 unter Druck, der NSDAP beizutreten. So ist es zu erklären, dass 141 der 571 Mann starken Belegschaft des Unternehmens, darunter v.a. gelernte Handwerker, sich bereits während der Verbotszeit der Partei angeschlossen hatten. Als sich nach dem Hitler-Schuschnigg Abkommen vom 12. Februar 1938 das Ende der österreichischen Unabhängigkeit und der Erfolg der Nationalsozialisten abzuzeichnen begann, gingen Swarovskis auch in der Öffentlichkeit offensiv vor. Am Abend des 21. Februar 1938 hielten 500 „Nationale“ einen Fackelzug von der Turnhalle des Deutschen Turnvereins Friesen in Wattens bis zum damaligen Dollfußplatz, wo sich das Kriegerdenkmal befand, ab. Die KundgebungsteilnehmerInnen setzten sich aus Angehörigen des Turnvereins und des „Bundes der Reichsdeutschen“ zusammen. Das Gros bildete die Arbeiterschaft des Unternehmens bei Teilnahme der Fabrikanten Fritz und Willi Swarovski. Die „Rettenberger Musikkapelle“, die unter dem Einfluss der beiden Unternehmer stand, sorgte für die musikalische Umrahmung. Der Marsch fand unter „Sieg Heil“- und „Heil Hitler“-Rufen vor dem Kriegerdenkmal seinen Abschluss mit dem Absingen der ersten Strophe des Deutschlandliedes, wobei die Teilnehmer die Hand zum Hitlergruß erhoben. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten sollte die Firma auch den Lohn für ihr Engagement erhalten. Es war ein Charakteristikum der NS-Wirtschaftspolitik, dass zur Belebung der Wirtschaft die Privatindustrie begünstigt und privatwirtschaftliche Interessen durch institutionelle Absicherung sichergestellt wurden, was sich daran zeigt, dass in allen Wirtschaftsorganisationen des Dritten Reichs führende Unternehmer und deren Angestellten vorderste Positionen einnahmen. Neben dem Bauunternehmer Karl Innerebner wusste sich auch die Firma Swarovski bestens zu behaupten. Gleich nach dem Anschluss wurde Hugo Lindenberg, Swarovski Schwiegersohn und Verbindungsmann des Unternehmens zum Rüstungskommando Innsbruck, zum Beauftragten für die Privatwirtschaft, Bereich Industrie ernannt. Bei ihm mussten Anträge auf Einsetzung von Aufsichtspersonen und kommissarischen Verwaltern bei Betrieben gestellt werden. Auch mit der Bestellung Alfred Swarovskis zum Obmann der Bezirksgruppe Ostmark der Wirtschaftsgruppe Glasindustrie war die Partei einverstanden. Alfred Swarovski, Kammerrat des Tiroler Industriellenbundes vor dem März 1938, avancierte, wie bereits hingewiesen wurde, mit dem „Anschluss“ zum Vorsitzenden und fungierte von 1938 bis 1943 als Vizepräsident der Handels- und Wirtschaftskammer bzw. Wirtschaftskammer Alpenland und von 1943 bis 1945 schließlich als Präsident der Innsbrucker Handels- und Gauwirtschaftskammer Tirol-Vorarlberg. 1950 war er bereits wieder Kammerrat der Sektion Industrie innerhalb der Handelskammer.

Überbrückung der Exportschwierigkeiten mit Hilfe von Wehrmachtsaufträgen

 Vor der Umstellung auf die Rüstungsproduktion hatte das stark exportorientierte Unternehmen mit einigen Schwierigkeiten wegen des ausländischen Wirtschaftsboykotts nach dem „Anschluss“ zu kämpfen. Dabei war es nicht gewillt höhere Produktionskosten durch Angleichung der Löhne an die des Altreichs in Kauf zu nehmen. Mit Verweis auf die Gefährdung des Exports wandte sich die Firma an den Beauftragten der Prüfungsstelle der Wirtschaftsgruppe Glasindustrie in Wien um Hilfe, da die Arbeiterschaft, die die Besitzer als „Lohndrücker und a-sozial“ bezeichnete, unruhig geworden wäre und in ihrer Arbeitsleistung nachgelassen hätte. Für die Prüfungsstelle war es, ganz im Sinne der Firma Swarovski, „unerträglich, dass durch innerbetriebliche Schwierigkeiten“ eine Wettbewerbsverminderung gegenüber dem Ausland eintreten könnte. Deshalb bat sie den Beauftragten des Reichstreuhänders der Arbeit „die Angelegenheit zu untersuchen und Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, Klarheit im Verhältnis zwischen Betriebsführung und Gefolgschaft herbei zu führen.“ Das Unternehmen, das neben der Glasschmuckerzeugung in begrenztem Maß auch Maschinen erzeugte, bemühte sich Anfang 1939 beim Reichswirtschaftsministerium um die Fabrikation von Werkzeugmaschinen. In der Zwischenzeit bekam das Unternehmen jedoch vom Oberkommando der Wehrmacht Aufträge,  mit denen es in den nächsten Monaten voll in Anspruch genommen wurde. Die Rationalisierungsstelle beim Reichskommissar bot Swarovski eine Auftragsbeschaffung an, sobald freie Kapazitäten vorhanden waren. Der Betrieb wurde deshalb auch mit der bevorzugten Lieferung von Maschinen, etwa Bearbeitungsmaschinen für Schleifscheiben, aus dem Altreich bedacht.

Exportziffern der Fa. Swarovski für 1937 und 1938 in RM

                                                      1937*               1938**

USA                                        1.579.175,-         2.067.721,-

Tschechoslowakei                        675.590,-            691.342,-

England                                      148.150,-              76.787,-

Frankreich                                   48.500,-              52.863,-

Italien                                          24.250,-              28.325,-

Kanada                                       26.950,-                4.724,-

Japan                                          18.850,-              16.483,-

Schweiz                                       24.250,-              16.058,-

Diverses Ausland                         10.750,-                6.680,-

 Insgesamt                               2.556.465,-         2.960.983,-

 *RM umger. 1:2           
**Umrechnungskurs nicht angegeben

Das Unternehmen Swarovski wurde jedoch nicht nur durch Binnenmarktaufträge schadlos gehalten, es konnte sich auch im Exportgeschäft weiterhin erstaunlich gut behaupten. Dies beweisen die oben angeführten Exportziffern, zu denen die Firma bemerkte:

„Nur durch niedrige Preise und gute Qualität konnten wir trotz schärfster Auslandskonkurrenz und aller Boykottbestrebungen das gute Gesamtergebnis im vergangenen Jahr [1938 H.S.] erzielen.  An dieser Stelle muss betont werden, dass uns die Prüfungsstelle Glasindustrie und das Exportreferat des Reichswirtschaftsministeriums in bester Weise in unseren Bestrebungen unterstützt haben.“

Antisemitische Parolen und Unterstützung von Gauleiter Hofer im Konkurrenzkampf

Umso verständlicher wird, dass Swarovski alles daran setzte, sich in der Auseinandersetzung mit der sudetendeutschen Glasschmuckindustrie, die eine beträchtliche Erhöhung der Ausfuhrpreise für Glasschmuck anstrebten, durchzusetzen. Die Kraftprobe stellt ein anschauliches Beispiel für das Nahverhältnis zwischen Tiroler Gauleitung und dem Unternehmen, das sich dadurch als Großbetrieb seiner Branche gegen die kleineren Konkurrenten behaupten konnte, dar. Dazu kam, dass es zwischen dem Streben Swarovskis nach Profitmaximierung einerseits und dem Reichswirtschaftsministerium, dem an den vom Reich dringend benötigten Devisen gelegen war, in der Exportfrage eine zumindest partielle Interessensübereinstimmung gab. Das Unternehmen, das bis März 1939 über große Exportaufträge aus den USA verfügte, wollte keine Umsatzrückgänge durch die geforderte Preissteigerung der vielen kleinen sudetendeutschen Firmen, die gegen Swarovski nicht konkurrenzfähig waren und sich an die Wand gedrückt fühlten, erleiden. Es suchte den Schulterschluss mit der größten Firma im sudetendeutschen Raum und schlug beim Reichswirtschaftsministerium und beim Amt des Reichskommissars Alarm, dass der Export durch die französische oder tschechische Konkurrenz gefährdet werden könnte:

„Die jüdischen Abnehmer werden ohnehin schon alles tun, um den Gegenpol gegen die deutsche Vormachtstellung zu erhalten und übersehen aus diesem Grunde auch die zum Teil etwas geringere Qualität der tschechischen Erzeugnisse. (…) Wir stehen auf dem Standpunkt, dass jede, auch die kleinste Gefährdung des Exportes vermieden werden muß und dass man den Boykottbestrebungen der Juden nicht Vorschub leisten soll. Die Behauptung der Konkurrenz, dass das Schwergewicht der Chatonerzeugung im Sudetengau liege, stimmt absolut nicht. Wir decken weit über die Hälfte des gesamten Weltbedarfs in Chatons.“

Der Betrieb war bereit, seine Exportpreise bis zu einer gewissen Höhe hinaufzusetzen und argumentierte geschickt, dass seine Forderung gemeinnützig und wichtig für die deutsche Volkswirtschaft wäre, indem er ihr den Export sichere:

„Auf Grund der Leistungsfähigkeit unserer Betriebe sind wir in der Lage, mit der genannten, relativ kleinen Preiserhöhung durchzukommen und damit dem Deutschen Reich den Export zu erhalten und die deutsche Vormachtstellung auf dem Weltmarkt in den angeführten Artikeln zu sichern. Unsere Haltung, die Leistungsfähigkeit unserer Betriebe in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, d.h. auf dem Inlandsmarkt die niedrigsten Preise zu fordern und durch eine vorsichtige, alle Gefahrenmomente beachtende Preispolitik auf den Auslandsmärkten einen möglichst großen Export zu erhalten, entspricht unseres Erachtens absolut der nationalsozialistischen Wirtschaftsauffassung, wie sie von allen führenden Männern der Partei und des Staates immer wieder zum Ausdruck gebracht wird.“

Swarovski wandte sich an Gauleiter Hofer, der die Forderungen des Unternehmens ganz entschieden beim Amt des Reichskommissars und gegenüber dem Reichswirtschaftsministerium „vom Standpunkt des Interesses des Reichs und insbesondere des Gaues Tirol-Vorarlberg“ unterstützte. Das Unternehmen konnte sich schließlich inhaltlich durchsetzen, während der Beauftragte der Prüfungsstelle Metallwaren Gablonz, der mit der Preisbildung betraut worden war, nach der Auseinandersetzung mit Gauleiter Hofer und dem Tiroler Unternehmen abgelöst wurde.

Kriegsprofite, Produktionsdiversifizierung, Ausbau des Unternehmens

Swarovski florierte indessen so gut wie eh und je. Zu Kriegsbeginn hatte es immer noch einen zufrieden stellenden Exportauftragsbestand, der für ca. sechs Wochen Vollbeschäftigung reichte. Die chronische Devisenknappheit des deutschen Reichs wurde seit Sommer 1938 wieder so prekär, dass Generalfeldmarschall Göring am 14.10.1938 der Exportsteigerung größtmögliche Priorität einräumte, um die dringend notwendigen Rohstoffe aus dem Ausland für die Rüstung beziehen zu können. Swarovski konnte durch diesen Umstand aber nicht nur bis Ausbruch des Krieges Nutzen ziehen, es gelang dem Unternehmen bis Oktober 1943 eine beachtliche Friedensproduktion aufrechtzuerhalten und v.a. über die Schweiz und Schweden für 1,5 Millionen Reichsmark Glasschmucksteine in die USA zu exportieren.

Neben der traditionellen Fertigung konnte Swarovski groß ins Rüstungsgeschäft einsteigen und entwickelte sich zu einem bedeutenden Rüstungsbetrieb. Als Vizepräsident und vor allem als Präsident der Gauwirtschaftskammer, der er in der Zeit des „totalen Krieges“ vorstand, verfügte Alfred Swarovski über eine nicht zu unterschätzende Machtbasis. Nur wenige Jahre nach Kriegsende charakterisierte der Amtsdirektor der Tiroler Handelskammer, ein wohl unverdächtiger Zeuge, die Tätigkeit der Kammer in diesen Jahren folgendermaßen:

„Die Zeit seiner [Swarovskis H.S.] Präsidentschaft stand im Zeichen des harten Fronten- und Wirtschaftskrieges. Die gesamte Sicherung der Wirtschaft, darunter auch die Unabkömmlichkeitsstellung der in der Wirtschaft notwendigen Arbeitskräfte, lag teilweise direkt oder im Wege eines maßgebenden Vorschlagrechts in Händen der Kammer. An sämtlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen war die Kammer beteiligt. Überall hatte sie ein gewichtiges Wort mitzureden (…). In zahlreichen Fällen waren es existenzentscheidende Verfügungen, die die Kammer zu Gunsten einzelner Mitglieder getroffen hat oder zu erreichen vermochte.“

Die Expansion des Unternehmens fußte natürlich nicht nur auf die geschickte Ausnützung politischer Verbindung und institutioneller Verankerung in den Wirtschaftsorganisationen des Dritten Reichs, Swarovski arbeitete ungeheuer innovativ mit viel Erfindergeist und half als wichtiger Spezialbetrieb etwa durch die Entwicklung von Schleifscheiben für Glas aus Korund und Karborund der deutschen Kriegswirtschaft aus einem besonders kritischen Engpass. Swarovski erweiterte, begünstigt durch die Kriegserfordernisse, seine Produktionspalette durch die Erzeugung von Schleifmitteln und optischen Gläsern bzw. Geräten. Bereits während des Ersten Weltkriegs hatte Swarovski Schleifscheiben produziert. Die Firma Tyrolit Schleifmittelwerke D. Swarovski wurde kurz nach dem Ersten Weltkrieg 1919 gegründet, doch aufgrund des Abebbens dieser ersten Kriegskonjunktur wurde die Schleifmittelerzeugung wieder relativ unbedeutend, sodass die Schleifmittel gemeinsam mit der Glaserzeugung in dem seit 1925 „D. Swarovski Glasfabrik und Tyrolit Schleifmittelwerke in Wattens“ benannten Betrieb hergestellt wurden. Erst durch den Zweiten Weltkrieg wurde die Schleifscheibenproduktion wieder in großem Umfang aufgenommen.

Ein weiterer und florierender Produktionszweig, nämlich der der optischen Geräte und Gläser, konnte sich ebenfalls in großem Maßstab herausbilden. Für die Firma eröffnete sich damit eine neue lukrative Einnahmequelle, die für die weitere Expansion des Unternehmens sehr förderlich war. Nachdem im Winter 1939/40  die englischen Blockademaßnahmen für das stark exportorientierte Unternehmen katastrophale Ausmaße angenommen hatte, die maschinelle Umrüstung noch nicht beendet war und sich die Erzeugung optischen Rohglases erst im Versuchsstadium befand, drohte der Hälfte der rund 800 Beschäftigten die Kündigung. In der Folgezeit konnten diese Schwierigkeiten aber rasch beseitigt werden. Als Wehrmachtsbetrieb wurde die Firma mit Aufträgen überhäuft und konnte nach der Lehrenfertigung auch in die Großproduktion von Doppelfernrohren einsteigen, nachdem die Probegläser Ende Juni 1940 den an sie gestellten Erwartungen entsprochen hatten. Daraufhin erhielt Swarovski einen Großauftrag über 13.500 Doppelfernrohre. Mitte 1943 war die Glasschmelzerei und -schleiferei völlig auf die optische Glasherstellung umgestellt und nach selbst entwickelten Verfahren auch Reflexscheiben, Reflexgläser u.ä. erzeugt worden. Das Unternehmen entwickelte außerdem noch Glastrennmaschinen sowie Zentrier- und Prismenschleifmaschinen. Allein bei Feldstechern wurden bis Kriegsende 183.000 Stück erzeugt. Im März 1944 arbeiten knapp 1.200 Beschäftigte, darunter viele ausländische ZwangsarbeiterInnen, bei Swarovski.

Das Unternehmen ging schließlich gestärkt aus dem Krieg und der NS-Zeit hervor. Es hatte seine Produktion diversifiziert und war wettbewerbsfähiger geworden. Die Erzeugung von Schleifmitteln und optischen Geräten war so bedeutend geworden, dass es diese Produktionszweige bald nach 1945 ausgliedern und in eigenen Werken als Tochtergesellschaften weiterführen konnte. 1949 begann Swarovski mit der Gründung der „Tyrolit Schleifmittelwerke Swarovski KG“ die Schleifmittelerzeugung nach Schwaz zu verlegen, bereits 1948 übersiedelte die optische Abteilung mit der Gründung der „Swarovski Optik KG“ in ein eigenes Werk nach Absam-Eichat.

Von der „Entnazifizierung“ verschont

Auch die Phase der „Entnazifizierung“ nach der Beseitigung des Nationalsozialismus überstand das Unternehmen Swarovski unbeschadet. Alfred Swarovski, der laut Erhebungsbericht der BH Innsbruck ein „begeistertes Mitglied der NSDAP“ gewesen war, hatte nach dem Krieg als Angeklagter vor dem Volksgerichtshof Innsbruck bescheiden gemeint:

„Aus meiner Parteizugehörigkeit habe ich nur den einen Vorteil gezogen, dass es mir als Parteigenosse möglich war, mit den zuständigen Wirtschaftsstellen des Reiches die zur Erhaltung des Betriebes notwendigen Verhandlungen einzuleiten und zu einem Erfolg zu bringen.“

Da die Privatwirtschaft als lebenswichtiger Faktor für den Wiederaufbau des Landes erschien, blieben jene Tiroler Industriellen, welche die Nationalsozialisten am nachhaltigsten unterstützt und gefördert hatten und als Gegenleistung reiche Ernte einfahren durften, trotz vereinzelter Prozesse vor dem Innsbrucker Volksgerichtshof praktisch unbehelligt. Sie traten, wie im Falle des Unternehmens Swarovski, vorübergehend einfach in die zweite Reihe, die öffentliche Verwaltung wurde nach einiger Zeit wieder aufgehoben. Um die wirtschaftlichen Aktivitäten im Land nicht zu lähmen, beschränkten sich vereinzelte Maßnahmen gegen Nationalsozialisten im Wirtschaftsleben auf die „himmelschreiendsten Fälle“. In Tirol wurde das von der Bundesregierung beschlossene „Wirtschaftssäuberungsgesetz“ daher kaum durchgeführt. Mit der Unterstützung der französischen Besatzungsmacht konnten in Tirol rasch viele Fabriken ihre Arbeit wieder aufnehmen. Da es nur wenige NS-unbelastete Industrielle gab, waren diese auch schwer zu ersetzen. Die Option einer Sozialisierung der entsprechenden Unternehmen wurde abgelehnt. Um den Aufschwung im wirtschaftlich darnieder liegenden Österreich sicherzustellen, wurde auf eine Säuberung der belasteten „Wirtschaftsführer“ verzichtet und den ökonomischen Notwendigkeiten gegenüber den politischen („Entnazifizierung“) der Vorzug gegeben. Hierbei deckten sich denn auch die Interessen der Tiroler Landespolitik mit den Vorstellungen der französischen Militärregierung. Letztere wollte aber auch deshalb nicht auf Wirtschaftsfachleute vom Schlage eines Swarovski verzichten, da sie für ihre umfangreichen Lebensmittellieferungen nach Tirol und Vorarlberg an Kompensationsgeschäften interessiert war. Deshalb durfte das Unternehmen Swarovski auch mit französischem Wohlwollen zur Devisenbeschaffung (sic!) Schmucksteine in die USA und Tausende Feldstecher, Zielgeräte und andere optische Einrichtungen nach Frankreich für den Indochinakrieg liefern. Die „sehr pragmatische“ Vorgangsweise der Franzosen wurde jedenfalls nur noch von den Tiroler Landespolitikern überboten, die, so Klaus Eisterer, selbst den bescheidenen Entnazifizierungsmaßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiete nur „Widerwillen“ entgegenbrachten.