Sozialdemokrat, Nationalsozialist, Katholisch-Konservativer: Josef Prantl (1891-1983)

Aus: Horst Schreiber, Sozialdemokratie in Tirol. Die Anfänge, Krailing 2003, S. 371-390. Dort mit Fußnoten

Josef Othmar Wilhelm Prantl wurde am 24. November 1891 als Sohn des Josef und der Rosina Prantl, geborene Karlinger, in Innsbruck geboren. Sein Vater, der 1927 starb, stammte aus Hall und war Spenglermeister, seine Großväter waren Gastwirt in Polling bzw. Händler. 1910 erhielt er das Reifeprüfungszeugnis an der Lehrerbildungsanstalt Innsbruck, wo er 1912 bzw. 1916 während des Krieges jeweils mit Auszeichnung die Lehrbefähigungsprüfungen für Volksschulen und Hauptschulen (Deutsch, Geschichte, Geographie) ablegte. 1910/11 wirkte er als Lehrer und zeitlich befristeter Leiter an der kleinen Volksschule im Südtiroler Terenten. Nach seiner Rückkehr nach Innsbruck arbeitete er zunächst bis 1919 als Volksschul- und dann als Bürgerschul- bzw. Hauptschullehrer. An der Universität Innsbruck studierte er vier Semester Germanistik und Geschichte. Unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde Prantl als Ersatzreservist am 28. Juli 1914 in ein Kaiserschützenregiment nach Galizien eingezogen, anschließend kämpfte er in den Dolomiten. Insgesamt 20 Monate lang stand er an der Front. Im Jänner 1919 rüstete Prantl als Leutnant ab.

Im Oktober 1930 heiratete er die aus wenig wohlhabenden Verhältnissen stammende Maria Hampel, die am 12. Dezember 1894 in Kramitz (Tschechoslowakei) geboren wurde. Ihre Eltern waren Franz und Maria Hampel, geborene Kornalik. Ihr Vater war zwar Grundbesitzer, doch dürfte der Besitz nicht allzu groß gewesen sein, da der Großvater noch „Häusler“ gewesen war. Der Großvater mütterlicherseits hatte den Beruf eines Bergmannes ausgeübt. Die Ehe des Josef und der Maria Prantl blieb kinderlos.

Prantl engagierte sich in führender Position im deutschnationalen „Tiroler Landeslehrerverein“ (TLLV) als Obmann des Innsbrucker Lehrervereins „im Kampfe für eine freie, unabhängige Staatsschule“. Dabei setzte er sich besonders in Fragen der Standesvertretung für die Verbesserung der ökonomischen Lage des LehrerInnenstandes, für pädagogische Reformen und gegen den starken klerikalen Einfluss auf die Schule ein. 1920 trat er der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) bei; 1925 wurde Prantl sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter und Mitglied der sozialdemokratischen LehrerInnenvertretung, der „Freien Lehrergewerkschaft“, am 21. Juni 1927 Bundesrat in Wien. Der Ehrenobmann des Tiroler Landeslehrervereins bezeichnete ihn als einen „der Lehrerführer Tirols“. Prantl, der auch Redakteur des Parteiorgans „Volkszeitung“ war, dürfte einige Zeit, wohl um 1930, auch Leiter der Tiroler oder zumindest der Innsbrucker Nachrichtendienststelle „Rote Spionage“ gewesen sein, die mit der Aufgabe der Erfassung aller Wahrnehmungen auf bürgerlicher Seite in politischer und militärischer Hinsicht betraut war.

Über seine Beweggründe der SDAP beizutreten meinte Prantl: „Ich war von Jugend auf immer sozial eingestellt und besonders stark mitleidsgebunden. Ein politischer Fanatismus entsprach nie meiner Wesensart. Im Jahre 1920 bin ich auch aus dieser inneren Einstellung heraus zur soz.demokr. Partei beigetreten, weil ich darin die Interessen der minderbemittelten Bevölkerungsschichten am besten zu vertreten glaubte.“

Prantl als Sozialdemokrat

In seiner Arbeit als Abgeordneter zum Tiroler Landtag, in dem er im Schulausschuss vertreten war, stand für ihn als Lehrer und ausgewiesenen Experten für das Unterrichtswesen natürlich die Schule im Mittelpunkt seiner politischen Sacharbeit. In seinen Redebeiträgen erwies er sich als kompetenter und scharfzüngiger Kritiker der Einsparungen im Bildungsbereich und der Vormachtstellung der katholischen Kirche im Schulwesen. Er setzte sich gegen den „papierenen Geist“ der Tiroler Schule für mehr pädagogische Reformvorstellungen im Sinne Otto Glöckls ein (Kindnähe, Arbeitsunterricht, Lehrstoffe aus der Lebenswelt der Kinder, Zusammenarbeit mit Eltern etc.) und forderte immer wieder die Erhöhung von Landesmitteln zum Ausbau niedrig organisierter Volksschulklassen und des Hauptschulwesens bzw. zur Unterstützung der Bildungsanstrengungen armer Gemeinden. Heftig bekämpfte er die absolute Dominanz der Tiroler Volkspartei (TVP) in der Schulverwaltung, von der VertreterInnen der SDAP völlig ausgeschlossen waren. Besonders am Herzen lag ihm die dienst- und besoldungsrechtliche Besserstellung der LehrerInnen. Wie sah Prantls Argumentationslinie im Landtag im Einzelnen aus?

Er bemängelte die deutlich geringeren Aufwendungen für das Tiroler Schulwesen im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern und konstatierte einen Bildungsnotstand. Ein besonderer Dorn im Auge war ihm, dass das Land einen großen Teil der Finanzierung auf die Gemeinden abwälzte, was für finanzschwache Gemeinden ein großes Problem darstellte, die Aufgeschlossenheit für die Errichtung von Klassen und Schulen hemmte sowie die ungleichen Bildungschancen je nach Wohnort noch mehr erhöhte. Prantl verwies darauf, dass 1927 von 439 Schulen 215 nur einklassig und 128 lediglich zweiklassig organisiert waren. Zudem gab es sogenannte Notschulen in erster Linie in Tirol. Deshalb lehnte er den Abbau von Schulklassen vehement ab. Wenn 60 SchülerInnen in eine Klasse gepfercht werden, entwickle sich der Lehrerton automatisch zum „Kommandoton eines Unteroffiziers“, so Prantl. Deshalb müsse das Land auch bereit sein, die Bildungsausgaben zu erhöhen, umso mehr noch, als die Umwegrentabilität sehr hoch wäre: „Auch diese Ausgaben werden sich einmal bezahlt machen, nicht so rasch vielleicht wie z.B. das Kälbern der Kühe und das Fackeln der Schweine, aber doch nach Jahren und Jahrzehnten. (…). Geben Sie für die Tiroler Volks- und Bürgerschulen nur einen Teil dessen, was Sie zum Bau von Schweineställen in Imst und anderswo ausgeben (lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten) nur einen Teil, mehr verlangen wir nicht.“

Den Abbau von LehrerInnen wollte Prantl verhindert wissen, da die LehrerInnenschaft besonders „schutzlos“ wäre. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, dass provisorisch angestellte LehrerInnen aufgrund der von der Landesregierung veranlassten Überführung der Lehrkräfte von der Kreiskrankenkassa in die neu geschaffene LehrerInnenkrankenkassa nicht einmal Arbeitslosengeld beziehen konnten. Darunter litten besonders Frauen, die rechtlich viel schlechter abgesichert waren als ihre männlichen Kollegen. Prantl setzte sich deshalb für ein modernes Gehaltsgesetz und die automatische Definitivstellung nach vier Unterrichtsjahren ein, damit die JunglehrerInnen nicht nach sechs bis zehn Jahren immer noch nur provisorisch gestellt waren mit all den daraus resultierenden negativen Begleiterscheinungen einer ungesicherten Existenz. Vor allem gegen die Lohnkürzungen von Lehrerinnen trat Prantl massiv auf, da diese genau so gut wie ihre männlichen Arbeitskollegen unterrichten würden. Für dieselbe Leistung gebühre auch derselbe Lohn. Mit Blick auf die hohe Arbeitslosigkeit unter LehrerInnen unterstrich Prantl, dass diese unter der „übermäßigen Konkurrenz der geistlichen Lehrkräfte“ leiden würden. Da weltliche LehrerInnen teurer kämen, würden die finanziell stark belasteten Gemeinden geistliches Lehrpersonal, das von ihren Orden versorgt wurde, bevorzugt anstellen. Er kritisierte, dass die Abgängerinnen der staatlichen Lehrerinnenbildungsanstalten keine Anstellung mehr fänden, während die privaten katholischen Lehrerinnenbildungsanstalten in Zams und Innsbruck Kettenbrücke laufend weiter ausbilden würden. Diese katholischen Ausbildungsanstalten sollten keine Landesmittel mehr erhalten, da sie keinem öffentlichen Bedürfnis mehr entsprächen. Da sich unter den 494 Lehrerinnen 114 Klosterfrauen befanden und rund 100 Lehrerinnen arbeitslos waren, empfahl Prantl den Abbau der in ihren Orden versorgten geistlichen Schwestern in der Schule zugunsten der weltlichen Lehrerinnen.

Prantl wandte sich immer wieder gegen den „Klerikalismus“, der den Geist der Tiroler Schule ausmache. Der „Klerikalismus“ war seiner Meinung nach der Wille zu herrschen, der nichts mit der Religion zu tun habe. Er sei bildungsfeindlich, indem er sich für die schulische Auslese einsetze und versuche, die Rekonfessionalisierung der Schule voranzutreiben. Prantl selbst war lange Jahre Ministrant gewesen, um sich schließlich von der auf Äußerlichkeiten bedachten Kirche abzuwenden. Er forderte den Landesschulrat auf, von seinem „100%igen klerikalen Kurs“ abzugehen und den Interessen anders gesinnter Bevölkerungsteile Tirols, die 30-40% ausmachen würden, stärker Rechnung zu tragen. Seiner Ansicht nach wurde die Schule von der TVP und der Großdeutschen Volkspartei (GDVP) als politisches Instrument missbraucht. Manche Lehrkräfte, v.a. Klosterfrauen, würden die Eltern über die Kinder bestrafen und sie als „Sozikinder“ verunglimpfen. Für den Umstand, dass sich in Tirol die achtjährige Schulpflicht und das zehnmonatige Schuljahr am Land immer noch nicht durchgesetzt hatte, machte er einerseits die Landesregierung verantwortlich, speziell die Politik des mächtigen Bauernbundes, andererseits die katholische Kirche und die Pfarrer, die immer wieder als Ortsschulräte großzügige Schulbesuchserleichterungen gewährten. Prantl kritisierte weiters den mangelnden republikanischen Geist in der Schule. Statt der Hymne der Republik würden lediglich geistliche Lieder einstudiert werden. Landeshauptmann Franz Stumpf sah darin kein Problem, da er offen zugab, die Staatshymne selbst nicht auswendig zu können. Prantl verwahrte sich insbesonders gegen den obligatorischen Schulmessebesuch. Er plädierte für einen Trennungsstrich zwischen Kirche und Christlich-Sozialer Partei. In diesem Falle würden kirchenfeindliche Tendenzen bei den SozialdemokratInnen abgebaut werden können, denn generell seien sie nicht schlechtere KatholikInnen als andere. Zudem hielt er fest: „Die Sozialdemokratie hat so große Aufgaben auf sozialem Gebiete zu lösen, daß sie sich neben dieser einen Front nicht noch eine zweite, nämlich die der Kirche schaffen will.

Seine besondere Unzufriedenheit drückte Prantl bei der Gesetzgebung zur Organisation der Schulverwaltung aus. Als nach einem Jahrzehnt des Provisoriums der Tiroler Landesschulrat im neuen Landesschulgesetz definitiv errichtet wurde, wurde die Sozialdemokratie ausgeschlossen, indem der Landesschulrat nicht entsprechend dem Stärkeverhältnis der Parteien besetzt wurde. Trotz geringeren Anteils an WählerInnen erhielt die GDVP statt der Sozialdemokratie einen Vertreter im Landesschulrat zuerkannt. Prantl sprach in diesem Zusammenhang von einem „Tiroler Ausnahmegesetz“.

Mit seinen schulpolitischen Ausführungen stieß Prantl immer wieder auf heftige Kritik, speziell seitens der Abgeordneten der TVP. Dazu hielt Prantl einmal fest: „Es ist ganz sonderbar: Wenn man an den Tiroler Verhältnissen irgend etwas kritisiert, kommt man gleich in den Verdacht, überhaupt kein Tiroler sondern ein Dahergelaufener, ein Zugereister, ein Ausländer oder dergleichen zu sein.“

Schwerpunkte seiner Landtagsarbeit abseits der Schulpolitik waren sein Eintreten für die Förderung der Kunst (Stadttheater, Ankauf von Werken von Egger-Lienz), die Unterstützung der Arbeitslosen und „Ausgesteuerten“, die Forderung nach Arbeitsbeschaffungsprogrammen und wirtschaftlichen Investitionen des Landes sowie nach Maßnahmen zur Linderung der Wohnungsnot, da es in Tirol immer noch Erdhöhlen-, Wagon- und KistenbewohnerInnen gab. Die Zustände „sind geradezu grauenhaft und erschütternd. (…) das heutige Wohnungselend ist Nacht, Grauen und Entsetzen“, so Prantl.

Prantl als „Alter Kämpfer“ und „Illegaler Nationalsozialist“

Die genauen Motive, die Prantl dazu bewogen haben, zur NSDAP überzutreten, sind unbekannt. Er selbst hat dazu nicht wirklich Stellung bezogen. Nach 1945 war er bemüht sich als Menschen zu präsentieren, der nie ein echter Nationalsozialist gewesen wäre: „Ich bin auch nicht mit fliegenden Fahnen zu den Nazi hinübergewechselt, dazu waren mir ihre Kampfmethoden zu unsympathisch. Ich bin ein Mensch politischer Duldsamkeit.“ Er habe den SozialdemokratInnen im Februar 1933 „aus eigenem Antriebe, nach vorhergehender Divergenzen mit Parteivertretungen d. SPÖ“ den Rücken gekehrt: „Ich trat aus der Partei aus, weil ich den Eindruck hatte, die SPÖ kommt immer mehr in das Fahrwasser des Republikanischen Schutzbundes.“ Prantl, der am 25. März 1933 aus der Sozialdemokratischen Partei austrat, erläuterte seine Beweggründe gegenüber dem Unterrichtsministerium 1934 etwa ein halbes Jahr nach den Februarkämpfen und dem Verbot der Sozialdemokratie so:

„Mit den politischen Methoden der Partei und besonders mit der terroristischen Nebenregierung des Rp. Schutzbundes schon lange nicht einverstanden, trat ich damals aus der Partei aus. (…) Nach diesem Austritt gehörte ich bis Februar 1934 noch dem Tiroler Landtag als ‚Wilder’ an“. Nach seinem Austritt hätte er über Monate „eine mehr oder minder stille Fehde mit der soz.dem. Presse zu führen“ gehabt, die ihn beschuldigt habe, der Landesregierung Waffenlager verraten zu haben um dafür den Posten eines Bezirksschulinspektors zu bekommen. Daraufhin habe er Drohbriefe von sozialistischen. Fanatikern erhalten, in denen er, was sehr unglaubwürdig erscheint, als „Überläufer zu den Pfaffen“ und „schwarzer Verräter“ bezeichnet worden wäre. Bei seinem Parteiaustritt hatte er ebenso wie sein früherer Genosse Franz Gruener über „das geistige Vorherrschen der Genossen jüdischer Nationalität“ geklagt.

Der Bruch mit der Partei belastete aber auch die eigene Ehe schwer, auch wenn seine Frau ihm schlussendlich ihre Unterstützung nicht versagte. Der Tiroler Sicherheitsdirektor stellte 1936 fest, dass sie zwar wie ihr Gatte dem „Ständestaat“ feindlich gegenüber stand, allerdings: „Sie hat Differenzen mit ihrem Mann wegen seiner politischen Wandlung und ist gesinnungsmäßig revolutionär-sozialistisch eingestellt.“ Für die SDAP bedeutete der Wechsel Prantls zur NSDAP eine herbe Schlappe, handelte es sich bei ihm doch um einen erfahrenen hohen Funktionär im Landtag und Bundesrat, der noch dazu ein ausgewiesener und geachteter Fachmann im Schulsektor war. Der Fall Prantl zeigte auf, wie attraktiv die NSDAP in Tirol, speziell in Innsbruck, 1932/33 geworden war und dass sie auch in der Lage war, ins WählerInnensegment der ArbeiterInnenpartei einzubrechen. Mit Prantl hatte die NSDAP neben den Abgeordneten der Großdeutschen Volkspartei, die sich ideologisch immer stärker den Nazis annäherten, bereits einen Fuß im Landtag. Bei den anstehenden Landtagswahlen wäre sie in der Lage gewesen, den besonders in LehrerInnenkreisen angesehenen Prantl öffentlichkeitswirksam als NS-Kandidaten mit kultivierten Umgangsformen zu präsentieren und das eigene Profil einer seriösen, nicht nur rabaukenhaften Partei der Werktätigen zu schärfen.

Im Juni 1932 kritisierte Prantl im Landtag das neue Schulgesetz, das massive Kürzungen und Einsparungen beinhaltete. Mit dieser Vorgangsweise würde, so Prantl, die Intelligenzschicht der Lehrkräfte vor den Kopf gestoßen und in die Arme der NSDAP getrieben: „Sie verschlechtern damit die Bildungsmöglichkeiten von hunderten und tausenden Tiroler Kindern, und ich glaube kaum, daß dieser Gesetzesentwurf ohne Einfluß auf die nächste politische Entwicklung sein wird.“ Bei der Landtagssitzung am 26. Juli 1933, die NSDAP war inzwischen wegen ihres blutigen Terrors verboten worden, war er bereits seit geraumer Zeit Mitglied jener Partei, vor der er vor nicht allzu langer Zeit noch selbst gewarnt hatte. Er eröffnete seine Rede mit den Worten: „Hoher Landtag! Ich vertrete keine Partei, sondern nur eine Überzeugung und erlaube mir, zu dem vorliegenden Gesetzentwurf auch meine Meinung abzugeben.“ In dieser Sitzung entwickelte sich eine hitzige Debatte um den Antrag des Rechtsausschusses, die Mandate der NSDAP entsprechend den generellen Anweisungen der Bundesregierung in den Gemeindevertretungen von Innsbruck, Landeck und Hötting aufzuheben. Franz Hüttenberger gab bekannt, dass der sozialdemokratische Klub, der ansonsten ein scharfer Gegner von Ausnahmeverfügungen war, diesem Unterfangen zustimmte, weil Hitlerdeutschland gegen Österreich einen Krieg mit wirtschaftlichen Maßnahmen und Terror führe.

„Wir können und wollen hier nicht die Partei schützen, die in Deutschland unsere Genossen entrechtet, ihrer Freiheit beraubt, sie mißhandelt und ermordet. Wir können es auch nicht zulassen, daß unser Staat seiner Unabhängigkeit beraubt und von einer ausländischen Macht okupiert (sic) wird. (…) Den Christlichsozialen sagen wir: Das heutige in Österreich herrschende Regime, das sich nur auf einen kleinen Teil der Bevölkerung stützen kann, will einen Kampf gegen die ‚Nazi’ und zugleich gegen uns Sozialdemokraten führen, wodurch der Staat in die größte Gefahr kommen kann. (…) Wenn Sie vor dem Terror der Nationalsozialisten nicht kapitulieren wollen, dann werden Sie sich mit uns verständigen müssen, aber diese Verständigung ist nur möglich auf der Grundlage der Rückkehr zur Demokratie und zur Treue der Verfassung.“

Daraufhin ergriff Prantl das Wort, der das Gesetz für eine „etwas starke Äußerung des Landtages“ hielt, da dieser sich nicht verfassungskonform selbst „künstlich“ verlängert habe und „nicht ganz“ über das moralische Recht verfüge, Mandate, die durch Volkswahl zustande gekommen waren, durch einen Beschluss zu annullieren. Er empfahl diese „Methode der Reizungen“ Deutschlands, die den „bedauerlichen Bruderkampf zwischen den stammverwandten Staaten“ unnötig verschärfe, zu unterlassen. Daraufhin setzte Hüttenberger zu einem Zwischenruf an: „Und die Bomben, die die Nationalsozialisten bei uns legen, sind keine Reizungen?“ Die Ablehnung der von der Bundesregierung verlangten Aberkennung der NSDAP-Mandate begründete Prantl mit einer antisemitisch und antitschechisch gefärbten Anti-Wien Rede, die verständlich machen sollte, warum man sich in Tirol nichts von Wien vorschreiben lassen sollte: „Wien ist meiner Meinung nach die zweitgrößte tschechische und die zweitgrößte Judenstadt des Kontinents, daher kann man sie wohl nicht ohne weiters als deutsche Stadt bezeichnen. In Wien sind 250.000 Juden und ungefähr 180.000 Tschechen, also Wien noch als eine rein deutsche Stadt zu bezeichnen, ist schon etwas gewagt! (Abg. Dr. Gamper: ‚Das ist doch in jeder Großstadt so!’).“ Deshalb schlug er vor, dass Österreich als das schwächere Land und angesichts der Abhängigkeit vom Fremdenverkehr Deutschland nicht herausfordern solle. Als ihn Hüttenberger des Opportunismus zieh, verteidigte Prantl den NS-Bombenterror mit Blick auf seine „früheren Herren Genossen“: „Jede junge Partei hat diese Dummheiten in ihren Flegeljahren gemacht, auch die sozialdemokratische.“ Dies provozierte die heftige Ablehnung Hüttenbergers. Prantl empfahl jedenfalls ein Einlenken gegenüber Hitlerdeutschland, da sich die NS-Regierung entgegen landläufiger Meinung stabil halten werde: „Ich sage Ihnen vielmehr, Sie werden sich mit Deutschland und dem Nationalsozialismus als einer gegebenen Tatsache abfinden müssen, und deshalb halte ich solche Nadelstiche für verfehlt.“ Vier Monate später, Ende November 1933, hielt er schließlich fest: „Ich plädiere für keine Partei, ich bin glücklich, unabhängig zu sein, aber ich plädiere für die Wiederherstellung normaler Zustände mit dem deutschen Reich.“

Prantls Eintritt in die NSDAP ist offiziell mit 1. Februar 1933 angegeben, er selbst nannte die Monate März und April. Prantl wechselte auch von der „Freien Lehrergewerkschaft“ zum „Nationalsozialistischen Lehrerbund“ (NSLB), wo er als Gauwalter die Führung übernahm. In seinem Antrag für die Anerkennung als „Alter Kämpfer“ gab er an bereits 1932 Mitarbeiter des „Roten Adler“, der Kampfschrift der NSDAP, gewesen zu sein. Ab Juli 1932 war er der Gauleitung zugeteilt. Dem illegalen Gaustab der NSDAP gehörte er 1933 bis September 1935 als Organisations- und Propagandaleiter an, im Gauakt nennt er die Jahre 1934/35. In seinem Antrag für die Anerkennung als „Alter Kämpfer“ bezeichnete er sich als „illegalen“ Gauorganisationsleiter ab August 1934 unter Gauleiter Friedrich Plattner, dem Unterstaatssekretär im Unterrichtsministerium 1938. Auch in der „Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation“ (NSBO) war er einige Zeit tätig.

Seine Aktivität für die NSDAP brachte Prantl in der Schule in große Schwierigkeiten. 1934 wurde er zu sieben Tagen Arrest und 200 Schilling Geldstrafe verurteilt, weil er trotz ausdrücklicher Weisung des Landesschulrates und seines Direktors in der Knabenhauptschule Müllerstraße nicht in der vorgeschriebenen schwarzen Kleidung beim Jugendtag mitmarschiert war. Das Tragen eines hellgrauen Anzugs wurde ihm als öffentliche Demonstration für die illegale NSDAP ausgelegt. Landesrat Hans Gamper bezeichnete als stellvertretender Vorsitzender des Landesschulrats Prantls Verhalten als „skandalös“. Der Landesschulrat beschloss daraufhin seine Strafversetzung nach Imst, wo deswegen die Wogen hoch gingen. Die Heimatwehr drohte mit einer Besetzung des Schulgebäudes sowie mit einem Elternstreik, um Prantl am Unterrichten zu hindern. Die Bezirksleitung der „Vaterländischen Front“ Imst forderte die Versetzung Prantls rückgängig zu machen, „denn es sieht doch komisch aus, wenn wir uns nicht nur gegen die Nazis, sondern auch gegen Entscheidungen der eigenen Behörde zur Wehr setzen müssten.“ Dem Landesschulrat wurde ein geharnischter Brief zugestellt:

„Es dürfte dem Landesschulrat für Tirol bekannt sein, daß Imst eine Hochburg des Nationalsozialismus war und die Lehrerschaft der Imster Hauptschule in zielbewußter Geschlossenheit wertvollste Arbeit zur Überwindung der N.S. Ideen in Jugend und Volk geleistet hat. Es wäre ein großer Fehler, wenn man diesem Lehrkörper durch das Hineinsetzen eines Spiones die vaterländische Propagandaarbeit erschweren und ihre vaterländische Erziehungsarbeit an der Jugend durch die gegenteilige Erziehung eines der schlauesten Nationalsozialisten zunichte machen wollte. Unsere Kinder sollen geradlinig erzogen und nicht hin und her gerissen werden. (…) Diese Erklärung sieht zwar sehr rebellisch aus, doch sagen wir lieber vorher, was bevorsteht, wenn man die berechtigten Forderungen unserer Elternschaft nicht beachten sollte. (…) ‚Imst ist kein Strafposten. Es gibt kleinere Orte auch noch, z.B. Namlos oder Gramais!’ sagen unsere Leute. Eigentlich haben sie nicht so unrecht.“

Als Prantl von Wien aus seines Amtes als Hauptschullehrer samt aller Befugnisse enthoben wurde, legte er Berufung ein. Landeshauptmann Stumpf und Festredner Prälat Anton Müller (Bruder Willram) setzten sich daraufhin für ihn ein. Prantl war ein ehemaliger Schüler Müllers gewesen. Über die Vorwürfe zeigte sich Müller „sehr erstaunt“, da er nicht den Eindruck hatte, dass Prantls Anzug „einen irgendwie verletzenden Eindruck machte.“ Der Landeshauptmann, der Prantl noch von seiner Tätigkeit als Abgeordneter sehr gut kannte, fühlte sich wegen dessen Abstrafung „wie vor den Kopf geschlagen“ und meinte gegenüber dem Bundeskommissär für Personalangelegenheiten: „Beim Aufmarsch sah ich ihn selbst mit seiner Klasse gehen, mir wäre nicht im Träume eingefallen, darin irgend eine Herabsetzung der Feier oder Derartiges zu sehen. Merke Dir dies vor und sei so gut und sorge dafür, dass diese Verfügung auf ein vernünftiges Maß reduziert wird.“ Der Landeshauptmann verfasste sogar ein persönliches Schreiben an Prantl, in dem er festhielt: „Wie ich Ihnen versprochen habe, intervenierte ich in Ihrer Angelegenheit anlässlich meiner letzten Anwesenheit in Wien“. Die Intervention des Landeshauptmannes hatte zur Folge, dass Prantl die rechtskräftige Arreststrafe nicht antreten musste und seinem Einspruch bezüglich seines Amtsverlustes stattgegeben wurde. Allerdings wurde Prantl seines Dienstes enthoben, immerhin erhielt er jedoch nach einem Einspruch eine Wartegebühr in der Höhe von drei Viertel seiner Vollbezüge.

Die Landesführung der „Ostmärkischen Sturmscharen“, Heimatwehr und Landesleitung der „Vaterländischen Front“ wandten sich darauf hin massiv gegen Prantls Wiederindienststellung, da er ein bekannter Nationalsozialist sei, der bisher schwer zu überführen gewesen wäre. Besonders vorgeworfen wurde ihm immer wieder seine Weigerung, der „Vaterländischen Front“, der Einheitspartei des Austrofaschismus, beizutreten.

Starkes Aufsehen erregte Prantls Freispruch vor der Disziplinarkommission des Landesschulrates. Ausschlaggebend war dessen überaus geschickte Verteidigung durch den Lehrer und bekannten Schriftsteller Josef Leitgeb, der nach 1945 das Innsbrucker Stadtschulamt leitete, sowie die Prantl entlastenden Stellungnahmen von Landeshauptmann Stumpf und Bruder Willram. Landesrat Gamper bemerkte dazu: „Es hat nichts so großes Entsetzen in Innsbrucker Lehrerkreisen hervorgerufen wie dieser Freispruch.“ Nicht zuletzt aufgrund der massiven Interventionen der Sturmscharen und der Heimatwehr beschloss der Landesschulrat unter Verweis auf die nicht berücksichtigten Fakten antivaterländischen Verhaltens eine neuerliche Anzeige gegen Prantl bei der Disziplinarkommission einzubringen. Diesem Unterfangen stand nach erfolgter Zustimmung des Ministeriums nichts mehr im Wege, als sich Prantl einer weit größeren Verfehlung schuldig machte.

Am 28. September 1935 wurde er wegen nationalsozialistischer Betätigung verhaftet. In seiner Wohnung hatte die Polizei zwei Vervielfältigungsapparate gefunden sowie mehrere Karbonpapiere, die eindeutig bewiesen, dass er sich schon längere Zeit aktiv für die NSDAP betätigt hatte. Prantl wurde zu sechs Monaten Haft verurteilt, von denen er fünf Monate im Gefängnis des Innsbrucker Landesgerichts abbüßte (28.9.1935-27.2.1936). Das Gerichtsverfahren wegen Hochverrats und Geheimbündelei endete mit einem Freispruch. Durch seine Haftstrafe verlor Prantl nach 25jähriger Dienstzeit sein Amt als Hauptschullehrer und alle aus diesem Amt fließenden Befugnisse, Rechte und Ansprüche, sodass er ab 1. April 1936 ohne Gehalt dastand. Der Bundeskommissär für Personalangelegenheiten informierte Prantl folgendermaßen: „Ihr Verhalten, das zur rechtskräftigen Abstrafung (…) geführt hat, läßt Ihre Belaßung im öffentlichen Dienst untunlich erscheinen.“

Prantls Ehefrau Maria wandte sich daraufhin an die Tiroler Landesregierung um für ihren Mann eine Gnadenpension zu erwirken. Sie wies darauf hin, dass die Arbeitsmarktlage mehr als schlecht war und sie keine Verwandte hatten, die sie finanziell unterstützen könnten. Sie sei deshalb auf das Einkommen ihres Gatten angewiesen und wisse nicht, wie es weiter gehen solle, „da mein Mann nicht nur ohne Gehalt ist, sondern durch die lange Haft gesundheitlich derart geschädigt ist, dass er auf längere Zeit erwerbsunfähig ist.“ Die Mieteinkünfte des mit Hypotheken belasteten Hauses in der Mozartstraße 4, das zu einem Viertel ihr und zur Hälfte Josef Prantl gehörte, reichten nicht aus, um den Unterhalt der Familie zu decken, zumal auch Prantls vermögenslose 72jährige Mutter mitversorgt werden musste. Nach amtlichen Erhebungen schloss sich die Landesregierung nicht der Argumentation Maria Prantls an und verweigerte die Zuerkennung einer Gnadenpension.

Prantl konnte sich zwar durch die Einkünfte aus seinem Haus und diversen Gelegenheitsarbeiten wie der Tätigkeit als Korrespondent für ausländische Zeitungen über Wasser halten, schließlich überschritt er im April 1937 legal die Kufsteiner Grenze und „flüchtete“ ins „Altreich“. Als Auswanderungsgrund gab Prantl in Deutschland „Mittellosigkeit“ an. Prantls erste Station war München, wo er bei einem Parteigenossen Unterschlupf fand. Seine weiteren Wohnorte waren Baunach bei Würzburg in Mainfranken, Mittenwald und Ampfing. Er arbeitete als Jugendwalter der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ (NSV) und unterrichtete an Volksschulen, ab 14. April 1937 zuerst in Baunach und dann mit Beginn des Schuljahres 1937/38 im oberbayrischen Ampfing, wo er auch „Flüchtlingskinder“, also Kinder aus Österreich geflohener ParteigenossInnen, betreute.

Prantls Rolle in der NS-Zeit

 Nach der Machtübernahme der NSDAP war Prantl sofort bestrebt nach Tirol zurückzukehren. Ende März 1938 suchte er um Entlassung aus dem bayrischen Schuldienst an, doch musste er noch bis Ende April in Ampfing unterrichten, bis seinem Gesuch Erfolg beschieden war. Er wurde mit 1. Mai 1938 als Direktor an der Knabenhauptschule Innsbruck sofort wieder in den Tiroler Schuldienst gestellt; sämtliche Dienstvorrückungen, die er aufgrund seiner Entlassung verabsäumt hatte, wurden ihm nun angerechnet und alle Bezüge vom Zeitpunkt seiner Entlassung nachgezahlt. Er erhielt den ansehnlichen Betrag von knapp 6.700 RM Wiedergutmachung. Sein Gehalt als Hauptschuldirektor betrug zu diesem Zeitpunkt monatlich 455 RM. In Tirol konnte Prantl, der auch Mitglied des „Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps“ (NSKK) war, sofort mit einer beeindruckenden Parteikarriere durchstarten. Prantl gehörte als „Flüchtling“ der Gruppe der sogenannten „Emigranten“ an, also zu genau jenem Kreis von ParteigenossInnen, die Gauleiter Franz Hofer von seiner Zeit im Deutschen Reich her als loyale Mitstreiter kannte und bevorzugt nach seiner Rückkehr nach Tirol als seine Vertrauten in Stellung brachte, um im Kampf um die innerparteiliche Macht die „Illegalen“ um den bisherigen Gauleiter Edmund Christoph zu verdrängen. Hofer griff bei den Leitungsbesetzungen auf seine Leute in den Gauleitungen von 1933 bis 1935 zurück, zu denen auch Prantl, der seinen Übertritt von der SDAP zur NSDAP noch mit Hofer ausgehandelt hatte, gehörte. Nachdem Adolf Leuprecht mit 24. September 1938 als Gauamtsleiter für Erziehung zurückgetreten war, wurde Prantl am 1. Oktober 1938 zum kommissarischen Gauamtsleiter für Erziehung und ein Monat später zum Leiter (Gauwalter) des NSLB ernannt. Doch auch im staatlichen Bereich erklomm er höchste Positionen. Mit 1. April 1939 wurde Prantl Regierungsdirektor des Tiroler Schulwesens und als Nachfolger Edmund Christophs stellvertretender Vorsitzender des Landesschulrats. Nach der Errichtung des Gaues Tirol-Vorarlberg und der Reichsstatthalterei, welche die bisherige Landeshauptmannschaft ersetzte, übernahm Prantl mit 28 Mai 1940 als Schul- und Regierungsrat die Leitung der Unterabteilung IIa, also des Volksschul-, Hauptschul- und Berufsschulwesens. Dass Prantl gleichzeitig Gauamtsleiter für Erziehung, Gauwalter des NSLB und höchste Positionen in der Schulverwaltung innehatte, war kein Zufall. Die Verflechtung des staatlichen Bereichs und der Partei durch Personalunionen war ein typisches Merkmal nationalsozialistischer Politik zur Durchsetzung des Primats der Partei über den Staat. Prantl war als Gauamtsleiter für Erziehung und Leiter des NSLB ein exponierter Vertreter der Wahrung der Parteiinteressen bei der personellen Planung, auch wenn er persönlich kein Scharfmacher war und oft die Qualifikation in den Vordergrund zu rücken suchte.

Als einer der einflussreichsten Tiroler Schulpolitiker gab Prantl wesentliche Positionen, die er einst als Sozialdemokrat zur Wahrung der Chancengleichheit wider einem Elitedenken vertreten hatte, auf. So forderte er eine schärfere Auslese für die Haupt- und Oberschule. Durch die Aufnahme zu vieler VolksschülerInnen hätte das Niveau der Hauptschule gelitten, während dadurch die Oberstufe der Volksschule verkümmert wäre. Bei Durchführung einer intensiven Selektion der SchülerInnen „würden von der Oberschule Schüler in die Hauptschule und von der Hauptschule an die Volksschule abgestoßen werden. Diese Lenkung bedeutet jedoch nicht etwa eine Senkung des Bildungsniveaus, sondern ist nur eine Abstoßung der für die betreffende Schultype ungeeigneten Elemente.“

Auch in der Frage der Mobilisierung der Lehrkräfte und SchülerInnen für den Krieg zeigte sich Prantl als braver Parteisoldat. Im Merkblatt zur Wehrhaftmachung formulierte er:

„Kameraden und Kameradinnen! Ich weiß, daß Ihr alle mit Begeisterung diesen großen Auftrag Eurem Volke gegenüber erfüllen werdet! Nun, da das Reich in Gefahr ist, werden wir alle, ob an der Front oder in der Heimat, unsere Pflicht bis zum letzten erfüllen. Ich weiß, daß Euch niemand an Einsatzbereitschaft übertreffen wird. Die Schule wird in diesem Daseinskampf unseres Volkes ein wesentlicher Teil der inneren Front in der Heimat sein. Unsere Jugend aber soll mitleben und mitkämpfen bis zum Sieg. Es lebe der Führer und unser Großdeutsches Reich!“

Der steile politische Aufstieg Josef Prantls als Gauamtsleiter für Erziehung, Gauwalter des NSLB, Hofers zeitweiliger Stellvertreter im Landesschulrat und späterer Leiter der Abteilung IIa der Reichsstatthalterei Tirol-Vorarlberg wurde mit seiner Enthebung im August 1941 jäh beendet, nachdem er aus dienstlichen und persönlichen Gründen in Gegensatz zum Gauleiter geraten war. Prantl genoss in der LehrerInnenschaft einen guten Ruf, da er öfter pädagogischen Gesichtspunkten gegenüber parteipolitischen den Vorzug gab. In Personalfragen zeigte er durchaus eine konziliante Haltung. Zum Bruch mit Gauleiter Hofer war es aber erst zwischen März und Juni 1941 gekommen. Über die wahren Hintergründe liegen keine Quellen vor. Noch im März 1941 hatte Hofer Josef Prantl im Ministerium zur Beförderung zum Oberregierungsrat und Oberschulrat vorgeschlagen und dabei dessen „Entschlußfreudigkeit“ unterstrichen und hervorgehoben, dass dieser den bisherigen Anforderungen seines hohen Amtes „vollkommen“ entsprochen habe. Bald darauf muss es zum großen Zerwürfnis gekommen sein, da Hofers Stellvertreter Herbert Parson dem Leiter der Schulabteilung der Reichsstatthalterei Tirol-Vorarlberg, Regierungsdirektor Hans Joachim Tittel, gemeldet hatte, „daß die Stellung des bisherigen Gauamtsleiters für Erzieher, Pg. Prantl, durch unliebsame Vorkommnisse in Lehrerversammlungen schwer erschüttert wurde.“

Was genau vorgefallen ist, entzieht sich unseren Kenntnissen. Jedenfalls leitete der Gauleiter unter dem Vorwurf von Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung des Schülerheimes in der Innsbrucker Siebererstraße ein Dienststraf- und Parteiausschlussverfahren gegen Prantl ein. Ihm wurde als Leiter der Verwaltungsstelle für Kinderheime vorgehalten, dass er das Vergehen eines Erziehers, der sich der „widernatürlichen Unzucht“ mit einigen Heimzöglingen schuldig gemacht hatte, nicht sofort der vorgesetzten Dienststelle gemeldet, sondern das Ganze als Bagatelle abgetan hätte. Zudem soll die Heimleiterin an ihre Tochter, aber auch an Frau Prantl, Lebensmittel ohne Marken aus dem Heimbestand abgegeben haben und Frau Prantl mehrmals Fleisch und Butter bezogen haben, wofür sie zwar bezahlt aber keine Bezugskarten abgegeben hatte. Überdies habe Prantl als Gauamtsleiter wiederholt Gäste im Siebererhaus „in erheblichem Umfange“ bewirten lassen, ohne dass von den Gästen Marken abgegeben worden wären. Hofer, der scheinheilig das Ansehen seiner Behörde in Gefahr sah, stellte dazu u.a. fest: „Ich erblicke in diesem Verhalten einen ganz besonders schwerwiegenden Verstoss Prantls gegen seine Dienstpflichten. Sein Verhalten grenzt direkt an Begünstigung der Straftaten“.

Als die ersten Verdachtsmomente gegen den Erzieher aufgetaucht waren, hatte Prantl eine heiminterne Untersuchung angeordnet, die ergab, dass der Erzieher, der auch Medizinstudent war, einen Schüler dazu angehalten hatte, ihm seinen Samen für mikroskopische Untersuchungen zu geben, um ihm die Schädlichkeit des Onanierens zu zeigen. Da sonst keine weiteren Taten aufgetaucht waren, hatte Prantl den Erzieher wegen untragbaren Verhaltens in einem persönlichen Gespräch seine Entlassung mitgeteilt. Eine weitere Anzeige und Verfolgung hatte Prantl, für den die Aufsicht über das Siebererheim nur eine Angelegenheit unter vielen gewesen war, nicht eingeleitet. Der volle Umfang der Geschehnisse wurden erst später von der Polizei ermittelt. Nach Prantls Aussage hatten die Bewirtungen von Gästen des NSLB im Heim, die meist ohne Bezugskartenabgabe erfolgt waren, für die Verköstigung der Zöglinge keine Nachteile nach sich gezogen, da das Heim größere Restbestände aus dem verpachteten Habichtshof erhalten hätte. Dass seine Frau Lebensmittel zwar gegen Bezahlung aber ohne Karten bezogen hatte, wollte er nicht gewusst haben, doch übernahm er dafür die moralische Verantwortung. In einem Schreiben an den Gauleiter stellte er fest:

„Um gewissen Gerüchten, die sich um meinen Abgang bilden könnten, entgegentreten zu können, bitte ich in Wahrung meines guten Namens, den ich durch lange Jahre auch durch schmutzige politische Zeiten makellos hindurch getragen habe, nachstehende Feststellungen entgegen nehmen zu wollen. Hiezu bitte ich um Ihre Unterstützung. (…) Ich wünsche keine bevorzugte Behandlung, jedoch bitte ich um sachlich einwandfreie Darstellung der Angelegenheit und um die Möglichkeit gegen böswillige Entstellungen einschreiten zu können. In diesem Bestreben, meine Ehre zu verteidigen, hoffe ich auf Ihre Unterstützung.“

Einen Monat später urgierte er nochmals bei Gauleiter Hofer:

„Ich fühle mich vollkommen frei von jeder Schuld. Die Verantwortung mag man mir anlasten und der Form nach mag ich auch verantwortlich sein: Wer jedoch weiß – und meine Mitarbeiter können es bezeugen – wie ich seit drei Jahren ohne Unterbrechung ohne einen Tag Urlaub im staatlichen Sektor zwei wichtige Dezernate führte und dazu im politischen Sektor das Amt für Erzieher, um tausend Dinge mich persönlich kümmern mußte, mangels Leuten oft und oft Herr und Hausknecht zugleich sein mußte, der wird es kaum über sich bringen, den ersten Stein wegen anscheinender Verantwortungslosigkeit auf mich zu werfen.“

Die Beschuldigungen gegenüber Prantl waren im durch und durch korrupten NS-System, in dem sich kleine und große Funktionäre in großem Maßstab bereicherten, geradezu eine Farce. Selbst bei der Richtigkeit aller Beschuldigungen wäre ein Gauamtsleiter und „Alter Kämpfer“ wegen derartiger Versäumnisse nie und nimmer abgesetzt worden. Es ist anzunehmen, dass Prantl zu wenig bedingungslos die Linie und die Vorgaben Hofers erfüllt hat. Prantl selbst gab nach 1945 an, dass Hofer ihm seine „Schwächlichkeit“ in der Führung des NSLB vorgeworfen habe:

„Durch meine Menschlichkeit, die man als Schwäche auslegte, kam ich immer mehr in Schwierigkeiten mit der Gauleitung. Es gab täglich Amtsvermerke mit Rügen, Vorhaltungen und wüste Anpfiffe. Der Gauleiter nannte mich einen unverbesserlichen Demokraten. Meine Stellung wurde immer schwieriger, mein Einfluss immer schwächer. (…) Ich war nie ein 100%iger Nationalsozialist, konnte es nicht sein als Mensch und Demokrat. Aber ich hatte einmal der blendenden Propaganda geglaubt. Nun war ich vollkommen geheilt. Ich hatte Blicke hinter die Kulissen getan. Ich war zum Gegner der erkannten Naziexzesse geworden.“

Prantls Darstellung wirft zwar Licht auf sein Zerwürfnis mit Hofer, ohne es wirklich zu erklären, insgesamt stellt er sich natürlich in einer Weise dar, die ihm helfen sollte, möglichst unbeschadet aus dem Verfahren gegen ihn nach dem Ende des Nationalsozialismus herauszukommen.

Am 13. August 1941 schrieb Hofer an Prantl, dass er seine Bitte vom Amt als Beauftragter für Erzieher enthoben zu werden zur Kenntnis nehme und ihn ersuche, seine „Geschäfte dem Gaustellenleiter Pg. Dr. Alois Dollinger zu übergeben“. Gleichzeitig beantragte Hofer auch Prantls Enthebung als Gauwalter des NSLB zugunsten Dollingers: „Ihrer Bitte um Gewährung eines Urlaubes komme ich gerne nach und bitte Sie, mir den näheren Zeitpunkt bekannt zugeben.“ Überdies „gewährte“ Hofer die Aufhebung von Prantls Unabkömmlichkeitsstellung, sodass dieser in den Wehrdienst einrücken konnte bzw. musste. Offiziell galt er weiterhin als Abteilungsleiter der Reichsstatthalterei im Militärdienst. Das Ernennungsdekret zum Oberregierungsrat und Oberschulrat, das das Ministerium mit 1. September 1941 unterschrieben hatte, wurde Prantl nicht mehr ausgehändigt.

Prantl ersuchte Oberstleutnant Paulus vom Wehrbezirkskommando um die sofortige Einberufung, sodass er als Leutnant zu den Gebirgsjägern nach Landeck einrückte und einen Offizierskurs in Glasenbach absolvierte. Anschließend war er als Oberleutnant der persönliche Adjutant eines Kommandeurs eines Baubataillons in Salzburg. Er leistete Dienst in Südkärnten und Vorarlberg, um schließlich ab Ende 1942 zur Heeresentlassungsstelle nach Innsbruck in die Konradkaserne zurückzukehren. Dort übte er zum Hauptmann aufgestiegen bis Kriegsende die Funktion eines stellvertretenden Kasernenkommandanten und Luftschutzleiters aus. Am 3. Mai 1945 rüstete er ab. Das Dienststrafverfahren gegen ihn kam über das Stadium von Voruntersuchung nie hinaus und verlief ergebnislos. Da während des Wehrdienstes von Parteimitgliedern die Zugehörigkeit zur Partei ruhte, war das Parteigerichtsverfahren auf die Zeit nach dem Krieg zurückgestellt und nicht durchgeführt worden.

Entnazifizierung und Wandlung zum Katholiken

Durch Beschluss des Ordnungsausschusses der österreichischen Widerstandsbewegung wurde Prantl am 11. Mai 1945 des Dienstes enthoben. Nach dem Einmarsch der US-Truppen in Innsbruck erfolgte im Juli 1945 erstmals eine Einvernahme seitens des amerikanischen Geheimdienstes, er wurde aber sogleich wieder auf freien Fuß gesetzt. Am 11. September wurde er schließlich von der Staatspolizei in seiner Wohnung verhaftet und ins landesgerichtliche Gefängnis überstellt, wo er nicht ganz zwei Monate einsaß. Die angeordnete Hausdurchsuchung und die Festnahme gingen auf eine Anzeige des Hausmeisters zurück, der Prantl beschuldigte, mit einem Lastwagen unter zu Hilfenahme von Wehrmachtsangehörigen Wehrmachtsgut geplündert zu haben. In Prantls Wohnung entdeckten die Fahnder schließlich Wehrmachtsleintücher, einige Kilo Schokolade, Zigaretten, Schuhe usw., zudem wurde eine Hakenkreuzfahne gefunden, was, so die Tiroler Sicherheitsdirektion, darauf schließen lasse, „daß sich Prantl heute noch nicht vom Nationalsozialismus trennen kann.“ Zu seiner Verteidigung sagte Prantl aus, dass er die Fahne nur als Putzfetzen aufbewahrt habe. Die Waren wollte er in Südtirol gekauft haben, nur die Leintücher würden von der Dienststelle stammen. Offiziell wurde Prantl daher wegen Aneignung von Wehrmachtsgut, Warenhortung und wegen des Verdachts der weiteren Betätigung für die NSDAP in Haft genommen. Nach einem Kurzaufenthalt im Lager „Oradour“ in Schwaz, das vor 1945 den Nazis als Zwangsarbeiterlager gedient hatte, wurde er ins ehemalige NS-„Arbeitserziehungslager“ Reichenau überstellt und mit 15. Juli 1946 über Vorschlag der österreichischen Polizei anlässlich des französischen Nationalfeiertags auf freien Fuß gesetzt. Ab diesem Zeitpunkt verdiente er den Lebensunterhalt für sich, seine Frau und die mit ihm in einem Haushalt lebende Mutter durch Privatunterricht und diverse Gelegenheitsarbeiten.

Der „Entnazifizierungsfall“ Josef Prantl ist besonders widersprüchlich. Auf der einen Seite gehörte er zu den höchsten Parteifunktionären des Gaues und war ein verdienter „Alter Kämpfer“, andererseits war er zweifellos der „liberalste“ Gauamtsleiter, der sich nicht nur von Parteiinteressen leiten ließ, sich gegenüber vielen ihm Untergeordneten menschlich verhielt und gegen Kriegsende auch den Widerstand aktiv unterstützte. Nach dem Krieg kehrte Prantl allerdings seine führende Stellung als „Illegaler“ und Spitzenrepräsentant des NS-Regimes völlig unter den Teppich. Auch seinen Kirchenaustritt im November 1939 wollte er nur „unter dem Druck des Gauleiters Hofer“ getätigt haben. Stattdessen hob er seine „demokratische Ader“ hervor, die er in seinem politischen Betätigungsfeld nie verleugnet haben wollte. Er sah sich nur mehr als Opfer, Verführter und Widerständler, seinen frühen Einsatz für die NSDAP verharmloste er und eine bedeutende Rolle im NS-Gefüge verschleierte er mit zahlreichen Halbwahrheiten und Lügen. Von eigener Machtausübung, eigenen Machtinteressen und persönlichen Vorteilen wollte Prantl nichts mehr wissen. Allerdings war von ihm zu diesem Zeitpunkt keine ehrliche und offene Rechenschaft zu erwarten, da er ja darum kämpfte, nicht jahrelang eingesperrt zu werden. Werfen wir nun einen Blick auf seine Selbstdarstellung.

Zu seinen Verurteilungen und Maßregelungen wegen NS-Betätigung 1934/35 meinte er: „Ohne Nazi im landläufigen Sinne gewesen zu sein, war ich an Freiheit und Existenz aufs schwerste geschädigt worden. Ich saß dabei buchstäblich zwischen den Stühlen: das autoritäre Regime behandelte mich als Nazi und die illegalen Nazi lehnten mich als Außenseiter und Eigenbrödler ab.“ Deshalb habe er nach dem „Umbruch“ ein halbes Jahr auf seine Anstellung im Schuldienst warten müssen. „Nur durch persönliche Beziehungen und durch Unterstützung seitens Persönlichkeiten, die meinen Leidensweg kannten, gelang es mir, mich durchzusetzen.“ Diese Behauptungen standen, wie bereits dargelegt wurde, im krassen Widerspruch zur Realität. Seine frühe Mitgliedschaft bei der Partei und im NSLB sowie seine aktenmäßig nachgewiesenen Verdienste für die NSDAP stellte er als Übertreibungen und „Aufschneiderei“ dar, die auf seinen falschen Angaben auf diversen Parteierhebungs- und Erfassungsbögen beruhen würden, um rasch wieder in den Schuldienst gestellt zu werden und „um möglichst in einem guten Licht bei der NSDAP zu stehen.“ Dazu Prantl: „Es ist vielleicht nie soviel geschwindelt worden wie damals mit erfundenen oder aufgebauschten Verdiensten um die NSDAP. Dieser Praxis kam der Ehrgeiz des Gauleiters, möglichst viele Illegale und alte Kämpfer aufweisen zu können, weitgehend entgegen. Der Ehrgeiz Hofers, den besten Gau im Grossdeutschen Reich zu führen, war ja allgemein bekannt.“ Zu seiner Tätigkeit als Gauamtsleiter für Erzieher und Gauwalter des NSLB, zu dem er als einer der letzten Lehrkräfte in Tirol gestoßen sein will, stellte Prantl fest, dass er versucht habe, diese Funktionen

„als Wahrer der Rechte der Lehrerschaft und als Helfer für bedrängte Lehrpersonen auszuüben. Ich habe in keinem Falle diese Ämter aus dienstlichen oder persönlichen Benachteiligung der mir zur Führung anvertrauten Lehrpersonen mißbraucht. Ich habe weder Andersgesinnte denunziert, noch sonst wie unter Ausnützung der NS-Verhältnisse bewußt geschädigt, noch irgendeine Strafversetzung oder -pensionierung oder Entlassung veranlaßt.“

Über sein Verhalten als Leiter des NSLB stellte Prantl fest: „Meine Tätigkeit als Leiter des NS-Lehrerbundes war nicht die eines Nazifunktionärs, sondern die eines hilfsbereiten mitfühlenden Menschen.“ Und weiter:

“Ich faßte meine Tätigkeit im besten gewerkschaftlichen Sinne auf und trachtete die Interessen der Lehrer und die der Schule zu wahren. Es gab oft genug Gelegenheit, dies gegen Übergriffe der Partei oder gegen harte Verfügungen der NS Behörden zu tun. Ich bin nie davor zurückgeschreckt, obwohl mir in der Folge dieses Eintreten für Verfolgte übel vermerkt wurde und mir seitens der Gauleitung ‚Unfähigkeit zu führen’ vorgeworfen wurde. Zeugen können bestätigen, daß in Kreisen der nichtnationalsozialistischen Lehrerschaft allgemein bedrängten Lehrpersonen der Rat gegeben wurde: ‚Geh nur zum Prantl!’ Ich habe auch niemanden meine Hilfe verweigert, besonders auch in Fällen, wo ich sah, daß parteipolitische Gehässigkeit im Spiele war.“

Er verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil der LehrerInnenschaft, laut dem er als „Schutzpatron der Andersgläubigen“  gegolten habe. Es habe ihm stets widerstrebt, „Unrecht zu tun“ und „Unrecht zu leiden, denn, so Prantl: „Rachegelüste und politische Unduldsamkeit waren mir stets unsympathisch. Es wird niemand auch nur einen Fall nachweisen können, dass ich an einem politischen Gegner oder persönlichen Widersacher mein Mütchen gekühlt hätte.“ Deshalb sehe er Nachforschungen gelassen entgegen:

„Ich getraue mich, jedem einzelnen der 2500 Lehrkräfte von Tirol und Vorarlberg gegenüberzutreten: keiner wird eine begründete Klage erheben können, wohl aber werden sich 100 oder mehr Lehrpersonen aller Schulgattungen melden, denen ich irgendwie geholfen habe. Ich habe dies in vielen Fällen getan aus rein menschlichen Motiven unter Vernachlässigung bezw. Zurückstellung meiner amtlichen Pflichten und politischen Richtlinien.“

In der Tat vermochte er zahlreiche Stellungnahmen von LehrerInnen aller Schularten vorzulegen, „die ich vor beruflicher und persönlicher Verfolgung schützen konnte. Ich war von Jugend auf immer sozial eingestellt und besonders stark mitleidsgebunden. Ein politischer Fanatismus entsprach nie meiner Wesensart.“ Nach dem Austritt aus der SDAP sei er mit der NSDAP „nicht in Fühlung gewesen“ und sei ihr daher erst nach dem „Umbruch“ beigetreten. Dabei hätten zum einen sein Wunsch nach beruflicher Wiedereingliederung eine Rolle gespielt. Zum anderen habe das soziale Programm und die durch die Propaganda herausgestellten Leistungen der NSDAP in Deutschland „einen gewissen Eindruck“ auf ihn gemacht. Am Terror der Partei habe er sich nie beteiligt: „Mir war jede gewaltsame Lösung und jede Gewaltanwendung im staatsrechtlichen Sektor verhasst. (…) Nach Erkenntnis der wahren Natur des Nationalsozialismus bin ich auch sein Gegner geworden“. In einem Brief an Landeshauptmann Karl Gruber, den er persönlich kannte und der inzwischen zum österreichischen Außenminister aufgestiegen war, fasste er seine Argumentation wie folgt zusammen:

„Ohne Tatsachen zu verdrehen, oder mich zu beschönigen, kann und darf ich sagen, daß ich auch nie in dieser Stellung meine demokratische Ader und Grundhaltung verleugnet habe. Tausend Lehrer und Lehrerinnen werden Ihnen dies bestätigen. Ich fühlte mich mehr nach unten verbunden als nach oben. Darum kam ich mit den Lehrkräften ebenso gut aus als mit der Gauleitung schlecht. Ich suchte zu mildern und zu helfen, wenn’ s not tat, zu vertuschen, wo ich konnte. Während ich den Lehrerbund leitete, gab es in Tirol keine Lehrerentlassung oder Strafpensionierung, wohl aber hatte ich häufig Krach mit der Gauleitung, die mir ‚Schwächlichkeit und Unfähigkeit zu führen’, vorwarf, was im Jahre 1941 schließlich zu der von mir schon längst angestrebten Enthebung von der Leitung des Lehrerbundes führte.

Ich legte alles zurück und rückte zur Wehrmacht ein. Schon längst innerlich kein Nazi – deren Gewaltmethoden habe ich immer schon verabscheut – wurde ich aktiver Gegner. (…)

Trotz alledem sitze ich nun, ich weiß nicht wie und warum, seit 11. September 1945 in Haft, derzeit im Anhaltelager Reichenau Innsbruck. (…) und man ist weiter ‚Angehaltener’, obwohl man schon längst innerlich sich selbst denazifiziert hat. (…) Wäre nicht eine Zusammenkettung aller zum Aufbau unseres Vaterlandes und der Heimat willigen Menschen nötiger als sie im Lager verbittern zu lassen!“

Wenngleich Prantl, der alle wesentlichen Entscheidungen im Schulbereich mitgetragen hatte, in Bezug auf seine Rolle für und in der Partei gelogen hatte, ist nicht von der Hand zu weisen, dass er kein Scharfmacher in Personalangelegenheiten gewesen war und sich tatsächlich für viele Lehrkräfte, die in politische Schwierigkeiten geraten waren, eingesetzt hatte. Die Lehrerin und Opernsängerin Martha Reinisch, Schwester des Priesters Franz Reinisch, der wegen Verweigerung des Treueeides auf Hitler enthauptet worden war, bezeugte. „Ich empfinde es als meine Gewissenspflicht, einem Manne, der mir seinerzeit in schwerster politischer Not und Verfolgung als Einziger beigestanden hat, heute, wo er in ähnlicher Lage ist, nach Möglichkeit zu helfen.“

Besonders bemerkenswert war sein Verhalten gegenüber der Höttinger Volksschullehrerin Elsa Weiskopf, die als „jüdischer Mischling“ galt und zu der er während der gesamten NS-Zeit ein Freundschaftsverhältnis pflegte. Er dürfte sie noch aus der Zeit als sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter gekannt haben. Wiederholt kam sie in die Wohnung Prantls zu Besuch, klagte über ihre Sorgen und erhielt Trost und Unterstützung. So sorgte Prantl durch persönliche Intervention bei Gauleiterstellvertreter Herbert Parson und Gestapochef Wilhelm Harster dafür, dass die geplante Abschiebung der Mutter Elsa Weiskopfs nach Wien ebenso aufgeschoben wurde wie der Zugriff Hofers auf ihre Wohnung in der Universitätsstraße. So schrieb sie Prantl kurz nach Kriegsende:

„Wenn ich Ihnen nun heute für dies alles aus ganzem Herzen danke, so will ich auch den Dank verbinden, daß Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin, mir in all dieser traurigen Zeit Ihre wahre Freundschaft stets bewiesen und erhalten haben. In ihrem Haus weilte ich oft zu Gast, konnte mein schweres Herz ausschütten, fand stets Verständnis für meine Sorgen und Nöte und konnte mich an Ihrem Zuspruch und Ihrer zuversichtlichen Haltung, daß Unrecht auf keinen Fall auf die Dauer bestehen kann, aufrichten, wenn die Verzweiflung, besonders nach der schließlich im Herbst 1942 erfolgten Verschickung meiner alten Mutter nach Wien mich zu überwältigen drohte. Ich danke Ihnen, den ich in jahrelanger Freundschaft als wahren Schulmann kennen gelernt und schätzen gelernt, als Freund lieb gewonnen habe, von ganzem Herzen (…).“

Prantl legte bei seiner Verteidigung besonderen Wert auf seine Dienstzeit in der Konradkaserne als stellvertretender Kasernenkommandant: „Meine Wandlung äußerte sich jedoch nicht nur gesinnungsmäßig, sondern auch in aktiver Hilfe für politisch Verfolgte, einer Hilfe, die mich als Offizier und Mensch in äußerste Gefahr bringen konnte und sicherlich auch einen Beitrag zur Befreiung Österreichs darstellt.“

In der Tat zeigen viele Unterstützungsschreiben und Sachverhaltsdarstellungen, dass Prantl aktiv Gefangenen geholfen und Männer des Widerstandes unterstützt hatte. In der Wehrmachtshaftanstalt der Konradkaserne befanden sich zahlreiche politische Wehrmachtshäftlinge. So gelang es ihm Robert Denifl, der wegen „Führerbeleidigung“ zwei Jahre Zuchthaus zu verbüßen hatte, vor der Überstellung in eine Strafkompanie zu bewahren. Dazu Denifl: Prantl war “wegen seiner Menschlichkeit und Güte allgemein bekann und beliebt. Er half jedem, wo er nur konnte. (…) Er tat alles, um mein Schicksal zu erleichtern, nicht nur meins, sondern auch das meiner Kameraden, die das gleiche Los getroffen und das war bestimmt kein leichtes. (…) Dazu hat uns Herr Prantl immer wieder getröstet, daß der Krieg nicht mehr lange dauert und mit ihm die Naziherrschaft ein Ende hat.“

Dem Kommunisten und späteren Landesrat Josef Ronczay, der schließlich mit Hilfe eines Hauptfeldwebels während der Panik eines nächtlichen Fliegerangriffs fliehen konnte, ließ er menschliche Vergünstigungen während der Haft zukommen und half mit, falsche Papiere für ihn zu besorgen. Ronczay hatte in ihm aufgrund seiner „menschenfreundlichen Haltung“ rasch einen NS-Gegner gesehen, weshalb er mit ihm offen über Politik und seinen Straffall gesprochen hatte. Prantl ließ ihm gelegentlich Zigaretten und Wein zukommen, zudem verschaffte er ihm eine Beschäftigung in der Schreibstube, die seine Haft erträglicher machte.

Auf ähnliche Weise äußerten sich etwa Hauptmann Hans Bator, der wegen Zersetzung der Wehrkraft verhaftet worden war, Polizeioberleutnant Maurberger, ein ehemaliger KZ-Insasse, und der Pfarrer von Amras.

In den letzten beiden Kriegswochen kam es zu einer Zusammenarbeit Prantls mit Oskar Görz, einem der wichtigsten Mitarbeiter Karl Grubers, des Führers des Tiroler Widerstandes, und dessen Verbindungsmann zur Wehrmacht. Prantl stellte falsche Entlassungspapiere für Soldaten aus, die Mitglieder der Freiheitsbewegung waren. Zudem gab er Görz seine Dienstpistole.

Prantl schrieb daher aus der Haft: „Alles in allem glaube ich, daß ich die Voraussetzungen der tätigen Reue und des gefahrvollen Einsatzes für Heimat und Vaterland erfülle. Ich habe niemandem geschadet, mich nicht bereichert und bereits lange vor der Befreiung Österreichs für dieses Ziel gearbeitet.“

Prantls Darstellung über sein Verhalten in der NS-Zeit wird nicht nur durch Dutzende ZeugInnenaussagen unterstützt sondern auch durch den Sachbearbeiter für NS-Angelegenheiten im Landesschulrat nach 1945, dem Prantl ebenfalls geholfen hatte: „Ich kenne durch meine Arbeit im Landesschulrat so ziemlich alle Personalakten und konnte darin die Tätigkeit Prantls genau verfolgen. Darin findet sich meine vorige Angabe voll und ganz bestätigt.“

Prantls finanzielle Situation blieb längere Zeit prekär. Bis Juli 1945 hatte er seine vollen Dienstbezüge erhalten, die dann eingestellt wurden. Ein halbes Jahr erhielt er überhaupt keine Zuwendungen. Vom 1. Februar 1946 bis 31. August 1946 kam er in den Genuss der Enthobenenbezüge von monatlich 150 Schilling, die in Folge ebenfalls eingestellt wurden. Deshalb musste er sich längere Zeit mit seiner Frau und seiner alten Mutter mit Hilfe seiner Sparguthaben und Honorare für Privatstunden über Wasser halten. Der Landesschulrat setzte sich schließlich für ihn ein und führte seine Verdienste als Landtagsabgeordneter an. Zudem wäre aus den Personalakten der LehrerInnen ersichtlich, dass Prantl „sein Amt in einer an ihm gewohnten loyalen Weise mit größtmöglicher Sachlichkeit im tirolischen Sinne versehen hat.“ Der Landesschulrat befürwortete schließlich im Februar 1948, dass ihm zumindest der Ruhegenuss eines „Minderbelasteten“ zuerkannt werde.

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 2. Dezember 1948 wurde Prantl aus der Liste der belasteten NationalsozialistInnen gestrichen und in die Liste der „Minderbelasteten“ gereiht. Die Argumentation der Landesregierung fußte jedoch auf falschen Tatsachen, da sie im Bescheid ausführte, dass Prantl kein ernannter politischer Leiter gewesen wäre, weshalb er als Funktionär einer Nicht-Parteidienststelle in die Gruppe der „Minderbelasteten“ einzureihen war. Dieser neue Status bedeutete für Prantl so viel wie eine Amnestie. Durch Entschließung des Bundeskanzlers vom 23. Mai 1951 wurde auch das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Prantl, der nach 1945 insgesamt zehn Monate in Haft gesessen hatte, wurde schließlich insofern wieder in den Schuldienst aufgenommen, als er mit 1. Februar 1949 in den dauernden Ruhestand versetzt wurde und seinen Dienst in der NS-Zeit für die Pension angerechnet bekam. Für die Zeit vom 1. März 1947 bis 31. Jänner 1949 erhielt er die Enthobenenbezüge nachgezahlt.

Josef Prantl machte nun abermals einen politischen Schwenk, indem er sich in katholisch-konservativ ausgerichteten Vereinen und Presseorganen betätigte und kirchlich engagierte. Besondere Verdienste erwarb er sich bei der Gestaltung und Schriftleitung der Zeitschrift „Jungösterreich“, die er ab 1950 redigierte und die das Organ des extrem konservativen „Bruder-Willram-Bundes“ war. Zudem war er führend tätig im „Verband der Geistig Schaffenden“. In beiden Organisationen wurde „sein objektiver Rat“ gerne gehört. Zu seinem 70. Geburtstag wurde er in einer Festsitzung mit Landesgerichtspräsident Robert Skorpil geehrt, der als Landesführer der austrofaschistischen „Ostmärkischen Sturmscharen“ 1934 noch vehement gegen Prantls NS-Umtriebe aufgetreten war und seine Außerdienststellung gefordert hatte. Zu Prantls 75. Geburtstag schrieben die „Tiroler Nachrichten“: „Devotes Verhalten nach oben war ihm fremd. (…) er ist von eiserner Gesundheit und dem Tagesgeschehen stets aufgeschlossen.“

Prantl schrieb immer wieder auch Zeitungsartikel naturwissenschaftlichen und historischen Inhalts, deren Sujets den Inhalt unschwer erkennen lassen: „Kurt Rauter, Der lustige Schildknappe des Pradler Bauerntheaters“, „Paul Vareschi, Das Urbild Unterinntaler Humors“, oder etwa „Die Buben auf der alten Dorfflur von Wilten“, wo er als Resümee über seine Jugendgeneration schrieb: „Als Handelnder und Behandelter, bald Subjekt, dann wieder Objekt, ging diese Epoche über uns hinweg.“ In dieses Bild passt seine Charakterisierung in den „Tiroler Nachrichten“, die über ihn meinten: „Seine persönliche Anspruchslosigkeit, seine Freude an der Natur und Liebe zur Heimatgeschichte machten Prantl zu einem idealen Erzieher.“

1958 war Prantl Mitgründer der „Alten-Gesellschaft Pro Senectute“, in der er ein Vierteljahrhundert lang in führender Stellung tätig war. Am 4. Jänner 1983 starb Josef Prantl im 92. Lebensjahr. Um 18 Uhr 15 war er bereits tot ins Landeskrankenhaus Innsbruck eingeliefert worden. In einem Nachruf in der „Tiroler Tageszeitung“, in dem ihm die Einführung des deutschsprachigen Unterrichts in Südtirol während der NS-Zeit zugute geschrieben wurde, hieß es: „An seinem Grab dankte ihm Pfarrer Dekan Schramm vor der Pfarre Saggen für langjährige, großzügige, stille, karitative Hilfe. Medizinalrat Doz. Dr. Walther Richter sprach im Namen der Gesellschaft Pro Senectute Worte des Gedenkens und gab ein kurzes Lebensbild.“ In seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter und Bundesrat habe sich Prantl „für das soziale Wohl seiner Mitmenschen“ eingesetzt. Die NS-Zeit blieb unerwähnt.

Am 19. Jänner 1983 erschien in der „Tiroler Tageszeitung“ eine Danksagung der einzigen noch Verwandten Prantls, seiner Schwester Rosa Body. Prantls Frau Maria war am 26. August 1978 im Haller Pflegeheim St. Klara verstorben.